Ein Spin-Off der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.
27. Jahrgang (2024) - Ausgabe 10 (Oktober) - ISSN 1619-2389
 
 RESTRUKTURIERUNGSMAGAZIN
   Zeitschrift für Restrukturierung, Sanierung
   und strategische Unternehmensführung
   ISSN 1867-7517
   www.restrukturierungsmagazin.de

"Der Grundstein zum Erhalt eines Familienunternehmens wird in der Familie gelegt"

München - Im Oktober 2013 ist mit Haribo-Chef Dr. Hans Riegel einer der erfolgreichsten deutschen Familienunternehmer der Nachkriegszeit gestorben. Zeit seines Lebens galt der kinderlose Bonner Unternehmer als eigenwilliger Patriarch, der Banken genauso mied wie Berater. Auch mit 90 Jahren war er beinahe täglich im Büro und stellte sich der Nachfolgefrage nur widerwillig. Dr. Volkhard Emmrich, geschäftsführender Gesellschafter der Dr. Wieselhuber & Partner GmbH Unternehmensberatung in München und Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Krisenmanagement e.V. (DGfKM), erläutert, was das Umfeld von sehr erfolgreichen Familienunternehmern machen kann, damit mit dem Tod des Inhabers nicht auch das Unternehmen stirbt.

Restrukturierungsmagazin: Die Nachfolgefrage ist in Familienunternehmen oftmals Auslöser für manifeste Konflikte zwischen den einzelnen Stämmen. So schwelte auch bei Haribo ein jahrelanger Streit um die Nachfolge, der zuweilen mit Anwälten ausgetragen wurde. Was können Familienunternehmer zu Lebzeiten machen, damit das Lebenswerk über den Tod des Firmenpatriarchen hinaus in der Familie bleibt?

Dr. Volkhard Emmrich: Bei der Nachfolgefrage geben große, über Generationen hinweg erfolgreiche Familienunternehmen die Marschrichtung vor - sowohl auf der Gesellschafterebene als auch auf der Managementebene. Auf der Managementebene haben sich Familienmitglieder den gleichen Qualifikations- und Kompetenzanforderungen zu unterwerfen, denen auch externe Manager genügen müssen. Ein Start in anderen Unternehmen oder ein "normaler" Einstieg im eigenen Unternehmen können dabei durchaus hilfreich sein. Bei echten "Alphatierchen" in der nächsten Generation sieht die Praxis häufig jedoch anders aus: Die "Eins-zu-Eins"-Nachfolge wird hart eingefordert und zur Bedingung für einen Einstieg oder für eine Rückkehr in das familiäre Unternehmen gemacht.

Auf der Gesellschafterebene sind Fragen der Mehrheitsfindung und der Entscheidungskompetenz nicht-tätiger Gesellschafter zu klären. Je breiter und heterogener der Familienkreis aufgestellt ist, desto sinnvoller wird ein aufsichtsratsähnlicher Beirat. Aufgrund klarer Kompetenzkriterien kann dessen Besetzung ebenfalls durch Familienfremde erfolgen. Entscheidend ist aber in jedem Fall, dass der Patriarch "loslässt". Er darf sich nicht "eingraben" und muss um sich herum Strukturen aufbauen, die das Unternehmen stufenweise von seiner Person unabhängig machen.

Restrukturierungsmagazin: Einerseits will der Familienunternehmer sein Lebenswerk in die Hände des Nachfolgers übergeben und dieses damit für nachfolgende Generationen erhalten. Andererseits weiß er nicht, ob der Nachfolger wirklich geeignet ist. Wie sollten Familienunternehmer bei der Übergabe verfahren, damit sich nicht ein weiteres Mal der Grundsatz bewahrheitet: "Der Großvater baut es auf, der Sohn führt es fort und der Enkel in die Insolvenz"?

Dr. Volkhard Emmrich: Dieser oft zitierte Grundsatz weist die Schuld an einem Versagen immer zu einhundert Prozent dem Enkel zu. Betrachtet man das Ganze jedoch aus einer übergeordneten Perspektive, zeigt sich schnell, dass die Freiheitsgrade zur Gestaltung von der ersten zur dritten Generation massiv abnehmen. Das betrifft insbesondere die Freiheitsgrade hinsichtlich möglicher "Übungsfelder" ohne eklatante Auswirkungen auf das Unternehmen und ohne auf Dinge springen zu müssen, die bereits drei Manager vorher erfolglos probiert haben.

Die dritte Generation hat es also deutlich schwerer. Sie steht massiv unter Beobachtung und sieht sich meist sehr großen Schuhen gegenüber. Deshalb muss auch die Frage gestellt werden, ob eine "Eins-zu-Eins"-Nachfolge - eben mit diesen großen Schuhen - wirklich sinnvoll ist. Von sehr wenigen Ausnahmen abgesehen, muss daher der Familienunternehmer dafür Sorge tragen, dass die nächste Generation ihr eigenes Profil entwickeln kann und in der Nachfolge das spezifische Persönlichkeitsprofil auch berücksichtigt wird.

Ist die nächste Generation eher technik- und produktionsaffin, wird eben ein angestellter Manager für den Vertrieb verantwortlich. Der Sohn oder die Tochter wird also nicht nur deshalb in den Vertrieb geschoben, weil der Vater ein guter Verkäufer war. Bei Trumpf bzw. in der Familie Leibinger, sieht man, wie dies in der Praxis erfolgreich funktioniert.

Restrukturierungsmagazin: Dr. Hans Riegel hinterlässt der nächsten Generation ein gesundes Unternehmen mit einem geschätzten Jahresumsatz von rund zwei Milliarden Euro, 6.000 Mitarbeitern in 22 Ländern und 15 eigenen Fabriken. Wie wichtig ist angesichts dieser Dimensionen der Kopf an der Spitze tatsächlich für den Fortbestand eines milliardenschweren Familienunternehmens?

Dr. Volkhard Emmrich: Dahinter steckt die Vermutung, dass eine Unternehmensgruppe von der Größe von Haribo über eine selbsttragende Führungs- und Managementstruktur verfügt und nicht wirklich von einer Einzelperson an der Spitze abhängig ist. Auch wenn dem so ist - wovon man ausgehen kann - so stellt sich allerdings die Frage, welche wechselseitigen Interaktionen zwischen dem Individuum an der Spitze einerseits und dem Führungsgeflecht innerhalb der Unternehmensgruppe andererseits zu welchen Entscheidungspunkten stattgefunden haben. Das kann von klaren Grundsatzvorgaben der Spitze über punktuelle Einzelentscheidungen bis hin zu großer unternehmerischer Gestaltungsfreiheit der einzelnen Führungskraft reichen. Das größte Risiko dürfte also im unsensiblen Umgang mit dieser Schnittstelle liegen.

Der Grundstein zum Erhalt eines Familienunternehmens wird allerdings meist nicht im Unternehmen selbst, sondern vielmehr in der Familie gelegt. Damit meine ich die Erziehung der Nachfolgegeneration zu unternehmerischem Verantwortungsbewusstsein, zu Bescheidenheit und zu der für jeden Führungsanspruch notwendigen sozialen und kommunikativen Kompetenz.

© 2014 Krisennavigator. Alle Rechte vorbehalten.
Stand der Informationen: 24. Januar 2014.


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Restrukturierungsmagazin: Die Nachfolgefrage ist in Familienunternehmen oftmals Auslöser für manifeste Konflikte zwischen den einzelnen Stämmen. So schwelte auch bei Haribo ein jahrelanger Streit um die Nachfolge, der zuweilen mit Anwälten ausgetragen wurde. Was können Familienunternehmer zu Lebzeiten machen, damit das Lebenswerk über den Tod des Firmenpatriarchen hinaus in der Familie bleibt?

Dr. Volkhard Emmrich: Bei der Nachfolgefrage geben große, über Generationen hinweg erfolgreiche Familienunternehmen die Marschrichtung vor - sowohl auf der Gesellschafterebene als auch auf der Managementebene. Auf der Managementebene haben sich Familienmitglieder den gleichen Qualifikations- und Kompetenzanforderungen zu unterwerfen, denen auch externe Manager genügen müssen. Ein Start in anderen Unternehmen oder ein "normaler" Einstieg im eigenen Unternehmen können dabei durchaus hilfreich sein. Bei echten "Alphatierchen" in der nächsten Generation sieht die Praxis häufig jedoch anders aus: Die "Eins-zu-Eins"-Nachfolge wird hart eingefordert und zur Bedingung für einen Einstieg oder für eine Rückkehr in das familiäre Unternehmen gemacht.

Auf der Gesellschafterebene sind Fragen der Mehrheitsfindung und der Entscheidungskompetenz nicht-tätiger Gesellschafter zu klären. Je breiter und heterogener der Familienkreis aufgestellt ist, desto sinnvoller wird ein aufsichtsratsähnlicher Beirat. Aufgrund klarer Kompetenzkriterien kann dessen Besetzung ebenfalls durch Familienfremde erfolgen. Entscheidend ist aber in jedem Fall, dass der Patriarch "loslässt". Er darf sich nicht "eingraben" und muss um sich herum Strukturen aufbauen, die das Unternehmen stufenweise von seiner Person unabhängig machen.

Restrukturierungsmagazin: Einerseits will der Familienunternehmer sein Lebenswerk in die Hände des Nachfolgers übergeben und dieses damit für nachfolgende Generationen erhalten. Andererseits weiß er nicht, ob der Nachfolger wirklich geeignet ist. Wie sollten Familienunternehmer bei der Übergabe verfahren, damit sich nicht ein weiteres Mal der Grundsatz bewahrheitet: "Der Großvater baut es auf, der Sohn führt es fort und der Enkel in die Insolvenz"?

Dr. Volkhard Emmrich: Dieser oft zitierte Grundsatz weist die Schuld an einem Versagen immer zu einhundert Prozent dem Enkel zu. Betrachtet man das Ganze jedoch aus einer übergeordneten Perspektive, zeigt sich schnell, dass die Freiheitsgrade zur Gestaltung von der ersten zur dritten Generation massiv abnehmen. Das betrifft insbesondere die Freiheitsgrade hinsichtlich möglicher "Übungsfelder" ohne eklatante Auswirkungen auf das Unternehmen und ohne auf Dinge springen zu müssen, die bereits drei Manager vorher erfolglos probiert haben.

Die dritte Generation hat es also deutlich schwerer. Sie steht massiv unter Beobachtung und sieht sich meist sehr großen Schuhen gegenüber. Deshalb muss auch die Frage gestellt werden, ob eine "Eins-zu-Eins"-Nachfolge - eben mit diesen großen Schuhen - wirklich sinnvoll ist. Von sehr wenigen Ausnahmen abgesehen, muss daher der Familienunternehmer dafür Sorge tragen, dass die nächste Generation ihr eigenes Profil entwickeln kann und in der Nachfolge das spezifische Persönlichkeitsprofil auch berücksichtigt wird.

Ist die nächste Generation eher technik- und produktionsaffin, wird eben ein angestellter Manager für den Vertrieb verantwortlich. Der Sohn oder die Tochter wird also nicht nur deshalb in den Vertrieb geschoben, weil der Vater ein guter Verkäufer war. Bei Trumpf bzw. in der Familie Leibinger, sieht man, wie dies in der Praxis erfolgreich funktioniert.

Restrukturierungsmagazin: Dr. Hans Riegel hinterlässt der nächsten Generation ein gesundes Unternehmen mit einem geschätzten Jahresumsatz von rund zwei Milliarden Euro, 6.000 Mitarbeitern in 22 Ländern und 15 eigenen Fabriken. Wie wichtig ist angesichts dieser Dimensionen der Kopf an der Spitze tatsächlich für den Fortbestand eines milliardenschweren Familienunternehmens?

Dr. Volkhard Emmrich: Dahinter steckt die Vermutung, dass eine Unternehmensgruppe von der Größe von Haribo über eine selbsttragende Führungs- und Managementstruktur verfügt und nicht wirklich von einer Einzelperson an der Spitze abhängig ist. Auch wenn dem so ist - wovon man ausgehen kann - so stellt sich allerdings die Frage, welche wechselseitigen Interaktionen zwischen dem Individuum an der Spitze einerseits und dem Führungsgeflecht innerhalb der Unternehmensgruppe andererseits zu welchen Entscheidungspunkten stattgefunden haben. Das kann von klaren Grundsatzvorgaben der Spitze über punktuelle Einzelentscheidungen bis hin zu großer unternehmerischer Gestaltungsfreiheit der einzelnen Führungskraft reichen. Das größte Risiko dürfte also im unsensiblen Umgang mit dieser Schnittstelle liegen.

Der Grundstein zum Erhalt eines Familienunternehmens wird allerdings meist nicht im Unternehmen selbst, sondern vielmehr in der Familie gelegt. Damit meine ich die Erziehung der Nachfolgegeneration zu unternehmerischem Verantwortungsbewusstsein, zu Bescheidenheit und zu der für jeden Führungsanspruch notwendigen sozialen und kommunikativen Kompetenz.

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