Ein Spin-Off der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.
27. Jahrgang (2024) - Ausgabe 4 (April) - ISSN 1619-2389
 
 KRISENMAGAZIN
   Zeitschrift für Krisenmanagement,
   Krisenkommunikation und Krisentraining
   ISSN 1867-7541
   www.krisenmagazin.de

"Die zentrale Frage ist, wie es der Schweiz in Zukunft gelingt, ihre Eigenheiten und Werte zu erhalten"

Ob Speicherchips, Flachbildschirme, Solarpanels oder Radiosender - ohne die Produkte der Comet AG mit Sitz in Wünnewil-Flamatt (Schweiz) würde es diese Geräte und Anlagen vermutlich nicht geben. Seit 75 Jahren hat das international tätige Elektrotechnikunternehmen seinen Sitz im Kanton Freiburg und ist seit 1996 auch an der Schweizer Börse SIX gelistet. Fritz Scheidegger ist seit rund sechs Jahren als Director Facility Management am Standort Flamatt tätig und in Zusammenarbeit mit dem örtlichen Sicherheitsbeauftragten am Aufbau des Notfall- und Krisenmanagements in Flamatt beteiligt. Im Gespräch mit dem Krisenmagazin erläutert das Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Krisenmanagement e.V. (DGfKM) u.a. wie sich das Krisenbewusstsein in der Schweiz von dem in anderen europäischen Ländern unterscheidet.

Krisenmagazin: Ihr Arbeitgeber, die Comet AG, hat ihren Schwerpunkt in der Hochfrequenz- und Röntgentechnologie und betreibt ein Dutzend Standorte rund um den Globus - von Malaysia über Dänemark bis nach Kanada. Wie koordinieren Sie und Ihre Kollegen von der Schweiz aus die Sicherheit für Gebäude und Lieferketten sowie das Business Continuity Management (BCM) für zwölf Standorte auf drei Kontinenten?

Fritz ScheideggerFritz Scheidegger: Zurzeit sind wir am Konsolidieren der örtlichen Gegebenheiten in Flamatt. Die Produktion an unserem Standort beliefert die Standorte weltweit mit Produkten. Wir liefern 100 Prozent unserer Produktion ins Ausland. Dies ist zentral für die Comet AG. Die lokalen Gegebenheiten und Gesetzgebungen erfordern stets lokale Lösungen, welche dann, koordiniert durch den Leiter Global Operational Excellence, weltweit umgesetzt werden. Die globalen Prozesse sind entscheidend für einen reibungslosen Betrieb der gesamten Unternehmung.

Krisenmagazin: In Ihrer Berufslaufbahn waren Sie auch als Bereichsleiter für die Logistik und Infrastruktur der Berufsfeuerwehr Bern verantwortlich und im Inselspital Bern für die Bereiche Technik und Sicherheit zuständig. Wie unterscheiden sich aus Ihrer Erfahrung die Krisenprävention und das Krisenmanagement in Einrichtungen der öffentlichen Infrastruktur von der in privatwirtschaftlichen Unternehmen?

Fritz Scheidegger: In den beiden Organisationen Inselspital Bern und der Berufsfeuerwehr Bern war die Krisenbewältigung jeweils ein Kernprozess in der Organisation. Die Abläufe wurden trainiert und die Prozesse nach der Ereignisbewältigung jeweils analysiert und optimiert. Regelmäßige Trainings waren in der Unternehmenskultur fest verankert. Die Organisationsstruktur war auf die Krisenbewältigung abgestimmt. Das Verständnis für das Management einer Krise war selbstverständlich und wurde durch die Unternehmensführungen getragen.

In der Privatwirtschaft muss dies durch die Sensibilisierung der Geschäftsleitung erarbeitet werden. Das regelmäßige Trainieren ist zurzeit noch Wunschdenken. Die "positive" Erfahrung, dass wir keine aktuellen Krisen haben, hilft beim Aufbau eines Krisenmanagements nicht wirklich. Stetiges Wirken und Aufzeigen, was in anderen Unternehmen läuft, unterstützt bei der Sensibilisierung und hilft, das Vorhaben "Notfall- und Krisenmanagement" professionell umzusetzen.

Krisenmagazin: In der Außenwahrnehmung scheinen Begriffe wie "Resilienz" und "Risikomanagement" in der Schweiz deutlich stärker verankert zu sein als in anderen europäischen Ländern. Schweizweit gibt es beispielsweise rund 370.000 Schutzräume mit mehr Plätzen als die Schweiz Einwohner hat, viele auch in Privathäusern. Wie gelingt es der Eidgenossenschaft, das Krisenbewusstsein in der Schweizer Bevölkerung und Wirtschaft so konstant hoch zu halten?

Fritz Scheidegger: Diese Frage kann sicher abschließend nicht beantwortet werden. Meine persönliche Erfahrung zeigt, dass die Situation in der Schweiz geprägt ist durch die wirtschaftlich gute Position in Bezug auf die Wertschöpfung und die Kreisläufe in der Schweiz. Die Arbeitslosigkeit ist tendenziell niedriger als im europäischen Raum und wirtschaftlich geht es der Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer gut. Die Akzeptanz der Schutzorganisationen durch die Bevölkerung ist mehrheitlich vorhanden. Auch der Russland-Ukraine-Krieg lässt viele aufhorchen. Es wird überlegt, was sind unser Werte und wie können wir uns schützen?

Die Anpassung an die EU-Normen ist im vollen Gange und die Schweiz muss sich auch gegenüber den Wirtschaftsmärkten im Osten und Westen gut aufstellen. Durch die bilateralen Abkommen ist eine gewisse Selbstbestimmung vorhanden. Jedoch müssen wir uns im globalen Umfeld mithilfe von Partnerabkommen organisieren. Die zentrale Frage ist, wie es der Schweiz in Zukunft gelingt, ihre Eigenheiten und Werte zu erhalten und gleichzeitig einen gemeinsamen Nenner mit anderen Ländern zu finden. Sicher wird dabei auch die Frage der Neutralität der Schweiz diskutiert. Hier sind sowohl die Politik als auch die Wirtschaft gefragt, nachhaltige Lösungen zu finden.

© 2023 Krisennavigator. Alle Rechte vorbehalten.
Stand der Informationen: 13. Juni 2023.


Vervielfältigung und Verbreitung - auch auszugsweise - nur mit ausdrücklicher
schriftlicher Genehmigung des Krisennavigator - Institut für Krisenforschung, Kiel.
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Ob Speicherchips, Flachbildschirme, Solarpanels oder Radiosender - ohne die Produkte der Comet AG mit Sitz in Wünnewil-Flamatt (Schweiz) würde es diese Geräte und Anlagen vermutlich nicht geben. Seit 75 Jahren hat das international tätige Elektrotechnikunternehmen seinen Sitz im Kanton Freiburg und ist seit 1996 auch an der Schweizer Börse SIX gelistet. Fritz Scheidegger ist seit rund sechs Jahren als Director Facility Management am Standort Flamatt tätig und in Zusammenarbeit mit dem örtlichen Sicherheitsbeauftragten am Aufbau des Notfall- und Krisenmanagements in Flamatt beteiligt. Im Gespräch mit dem Krisenmagazin erläutert das Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Krisenmanagement e.V. (DGfKM) u.a. wie sich das Krisenbewusstsein in der Schweiz von dem in anderen europäischen Ländern unterscheidet.

Krisenmagazin: Ihr Arbeitgeber, die Comet AG, hat ihren Schwerpunkt in der Hochfrequenz- und Röntgentechnologie und betreibt ein Dutzend Standorte rund um den Globus - von Malaysia über Dänemark bis nach Kanada. Wie koordinieren Sie und Ihre Kollegen von der Schweiz aus die Sicherheit für Gebäude und Lieferketten sowie das Business Continuity Management (BCM) für zwölf Standorte auf drei Kontinenten?

Fritz ScheideggerFritz Scheidegger: Zurzeit sind wir am Konsolidieren der örtlichen Gegebenheiten in Flamatt. Die Produktion an unserem Standort beliefert die Standorte weltweit mit Produkten. Wir liefern 100 Prozent unserer Produktion ins Ausland. Dies ist zentral für die Comet AG. Die lokalen Gegebenheiten und Gesetzgebungen erfordern stets lokale Lösungen, welche dann, koordiniert durch den Leiter Global Operational Excellence, weltweit umgesetzt werden. Die globalen Prozesse sind entscheidend für einen reibungslosen Betrieb der gesamten Unternehmung.

Krisenmagazin: In Ihrer Berufslaufbahn waren Sie auch als Bereichsleiter für die Logistik und Infrastruktur der Berufsfeuerwehr Bern verantwortlich und im Inselspital Bern für die Bereiche Technik und Sicherheit zuständig. Wie unterscheiden sich aus Ihrer Erfahrung die Krisenprävention und das Krisenmanagement in Einrichtungen der öffentlichen Infrastruktur von der in privatwirtschaftlichen Unternehmen?

Fritz Scheidegger: In den beiden Organisationen Inselspital Bern und der Berufsfeuerwehr Bern war die Krisenbewältigung jeweils ein Kernprozess in der Organisation. Die Abläufe wurden trainiert und die Prozesse nach der Ereignisbewältigung jeweils analysiert und optimiert. Regelmäßige Trainings waren in der Unternehmenskultur fest verankert. Die Organisationsstruktur war auf die Krisenbewältigung abgestimmt. Das Verständnis für das Management einer Krise war selbstverständlich und wurde durch die Unternehmensführungen getragen.

In der Privatwirtschaft muss dies durch die Sensibilisierung der Geschäftsleitung erarbeitet werden. Das regelmäßige Trainieren ist zurzeit noch Wunschdenken. Die "positive" Erfahrung, dass wir keine aktuellen Krisen haben, hilft beim Aufbau eines Krisenmanagements nicht wirklich. Stetiges Wirken und Aufzeigen, was in anderen Unternehmen läuft, unterstützt bei der Sensibilisierung und hilft, das Vorhaben "Notfall- und Krisenmanagement" professionell umzusetzen.

Krisenmagazin: In der Außenwahrnehmung scheinen Begriffe wie "Resilienz" und "Risikomanagement" in der Schweiz deutlich stärker verankert zu sein als in anderen europäischen Ländern. Schweizweit gibt es beispielsweise rund 370.000 Schutzräume mit mehr Plätzen als die Schweiz Einwohner hat, viele auch in Privathäusern. Wie gelingt es der Eidgenossenschaft, das Krisenbewusstsein in der Schweizer Bevölkerung und Wirtschaft so konstant hoch zu halten?

Fritz Scheidegger: Diese Frage kann sicher abschließend nicht beantwortet werden. Meine persönliche Erfahrung zeigt, dass die Situation in der Schweiz geprägt ist durch die wirtschaftlich gute Position in Bezug auf die Wertschöpfung und die Kreisläufe in der Schweiz. Die Arbeitslosigkeit ist tendenziell niedriger als im europäischen Raum und wirtschaftlich geht es der Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer gut. Die Akzeptanz der Schutzorganisationen durch die Bevölkerung ist mehrheitlich vorhanden. Auch der Russland-Ukraine-Krieg lässt viele aufhorchen. Es wird überlegt, was sind unser Werte und wie können wir uns schützen?

Die Anpassung an die EU-Normen ist im vollen Gange und die Schweiz muss sich auch gegenüber den Wirtschaftsmärkten im Osten und Westen gut aufstellen. Durch die bilateralen Abkommen ist eine gewisse Selbstbestimmung vorhanden. Jedoch müssen wir uns im globalen Umfeld mithilfe von Partnerabkommen organisieren. Die zentrale Frage ist, wie es der Schweiz in Zukunft gelingt, ihre Eigenheiten und Werte zu erhalten und gleichzeitig einen gemeinsamen Nenner mit anderen Ländern zu finden. Sicher wird dabei auch die Frage der Neutralität der Schweiz diskutiert. Hier sind sowohl die Politik als auch die Wirtschaft gefragt, nachhaltige Lösungen zu finden.

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