Ein Spin-Off der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.
27. Jahrgang (2024) - Ausgabe 10 (Oktober) - ISSN 1619-2389
 
 KRISENMAGAZIN
   Zeitschrift für Krisenmanagement,
   Krisenkommunikation und Krisentraining
   ISSN 1867-7541
   www.krisenmagazin.de

"Wir haben auf der PR-Schiene beim Thema 'Business Continuity' sehr zurückhaltend agiert"

Seit mehr als einhundert Jahren beliefert die Ziehl-Abegg SE mit Sitz in Künzelsau Kunden in aller Welt mit Systemen zur Luft-, Regel- und Antriebstechnik. Das Spektrum reicht von Wärme- über Kälteanlagen bis hin zu elektrischen Motoren für Aufzüge und Computertomographen. Die rund 30.000 Artikel werden in mehr als 100 Ländern verkauft. Wie das baden-württembergische Familienunternehmen seine internationale Krisenkommunikation organisiert hat und warum es während der Corona-Pandemie auch im Business Continuity Management gefragt war, erläutert Rainer Grill im Gespräch mit dem Krisenmagazin. Das Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Krisenmanagement e.V. war im ersten Leben mehr als 20 Jahre lang Tageszeitungsredakteur und leitet seit 2011 die Unternehmenskommunikation des Industrieunternehmens.

Krisenmagazin: Ziehl-Abegg unterhält 16 Werke und 108 Vertriebsstandorte auf allen fünf Kontinenten. Rund 80 Prozent Ihrer Umsätze erzielen Sie im Export. Von Grenzschließungen und der globalen Verknappung von Bauteilen während der Corona-Pandemie waren Sie daher unmittelbar betroffen. Wie haben Sie Ihr globales Krisenmanagement organisiert und mögliche Lieferunterbrechungen gegenüber Ihren Kunden kommuniziert?

Rainer Grill: Wir konnten im Vergleich zu anderen Unternehmen relativ lange die Produktion durchgehend aufrechterhalten. Doch im November 2021 hat auch uns die globale Krise erreicht. Zum Bauteilemangel kommt auch noch ein ungekannt hoher Auftragseingang – bei einer hohen Fertigungstiefe eine weitere starke Herausforderung. Daher sind wir frühzeitig auf unsere Kunden zugegangen, haben über Lieferzeiten und Preise gesprochen. Wir haben auf der PR-Schiene bei diesem Thema sehr zurückhaltend agiert. Kein Kunde sollte aus den Medien Informationen zu diesem Thema bekommen. Zumal es sowieso keine generelle Aussage gibt, da jede Kundensituation individuell betrachtet werden muss.

Krisenmagazin: Auch für Ihre rund 4.300 Beschäftigten in aller Welt glichen die Pandemiejahre 2020 und 2021 einer Achterbahnfahrt. Als global tätiges Familienunternehmen müssen Sie in Ihrer Unternehmenskommunikation außerdem viele unterschiedliche Kulturen und Sprachen vereinen. Wie gelingt Ihnen das und welche Regeln gelten für die internationale Krisenkommunikation bei Ziehl-Abegg?

Rainer Grill: Bei Ziehl-Abegg läuft eine extrem seltene Krisenkommunikation weitgehend über die Zentrale. Denn die wenigsten Ländergesellschaften haben Personal für dieses Thema. Als globaler Zulieferer hat das Unternehmen den grundsätzlichen Vorteil, dass sich der mediale Fokus in den einzelnen Ländern bei Themen wie Lieferkettenabriss eher auf die dem Verbraucher geläufigen B2C-Unternehmen richtet.

Krisenmagazin: Innovative Wege gehen Sie auch bei der Wahl Ihrer Kommunikationsinstrumente. So haben Sie im Juni 2020 die Plattform TikTok in die Unternehmenskommunikation integriert, was für ein B2B-Unternehmen eher ungewöhnlich ist. Noch im gleichen Jahr waren Sie hierfür beim Deutschen Preis für Onlinekommunikation nominiert. Müssen Ihre Kunden demnächst damit rechnen, dass der CEO tanzend bei TikTok einen Produktrückruf oder den Ausfall eines Produktionswerks verkündet?

Rainer Grill: Glücklicherweise hatten wir bisher weder einen Produktrückruf noch einen Ausfall eines Produktionswerks zu vermelden. Doch zu TikTok: Die Plattform wird oft ausschließlich als Showroom tanzender 14-Jähriger bezeichnet. Das ist falsch. Der Anteil der Älteren auf der Plattform wird stetig größer. Wir erreichen mit unseren Videoclips Millionen von Berufserfahrenen. Das zeigt sich in Kommentaren auf der Plattform und Kontakten im richtigen Leben. Der Nutzen fürs allgemeine Firmenimage und sowohl fürs Recruiting als auch für Kundenkontakte sind belegbar. Für Ziehl-Abegg als First Mover ist es ein Vorteil, dass andere B2B-Unternehmen die Plattform noch nicht richtig ernst nehmen. Der Ansatz bei Ziehl-Abegg ist rein organischer Natur: Es gibt keinen Paid Content auf TikTok und die Videos werden in der Freizeit von Mitarbeitenden gedreht.

© 2021 Krisennavigator. Alle Rechte vorbehalten.
Stand der Informationen: 20. Dezember 2021


Vervielfältigung und Verbreitung - auch auszugsweise - nur mit ausdrücklicher
schriftlicher Genehmigung des Krisennavigator - Institut für Krisenforschung, Kiel.
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Seit mehr als einhundert Jahren beliefert die Ziehl-Abegg SE mit Sitz in Künzelsau Kunden in aller Welt mit Systemen zur Luft-, Regel- und Antriebstechnik. Das Spektrum reicht von Wärme- über Kälteanlagen bis hin zu elektrischen Motoren für Aufzüge und Computertomographen. Die rund 30.000 Artikel werden in mehr als 100 Ländern verkauft. Wie das baden-württembergische Familienunternehmen seine internationale Krisenkommunikation organisiert hat und warum es während der Corona-Pandemie auch im Business Continuity Management gefragt war, erläutert Rainer Grill im Gespräch mit dem Krisenmagazin. Das Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Krisenmanagement e.V. war im ersten Leben mehr als 20 Jahre lang Tageszeitungsredakteur und leitet seit 2011 die Unternehmenskommunikation des Industrieunternehmens.

Krisenmagazin: Ziehl-Abegg unterhält 16 Werke und 108 Vertriebsstandorte auf allen fünf Kontinenten. Rund 80 Prozent Ihrer Umsätze erzielen Sie im Export. Von Grenzschließungen und der globalen Verknappung von Bauteilen während der Corona-Pandemie waren Sie daher unmittelbar betroffen. Wie haben Sie Ihr globales Krisenmanagement organisiert und mögliche Lieferunterbrechungen gegenüber Ihren Kunden kommuniziert?

Rainer Grill: Wir konnten im Vergleich zu anderen Unternehmen relativ lange die Produktion durchgehend aufrechterhalten. Doch im November 2021 hat auch uns die globale Krise erreicht. Zum Bauteilemangel kommt auch noch ein ungekannt hoher Auftragseingang – bei einer hohen Fertigungstiefe eine weitere starke Herausforderung. Daher sind wir frühzeitig auf unsere Kunden zugegangen, haben über Lieferzeiten und Preise gesprochen. Wir haben auf der PR-Schiene bei diesem Thema sehr zurückhaltend agiert. Kein Kunde sollte aus den Medien Informationen zu diesem Thema bekommen. Zumal es sowieso keine generelle Aussage gibt, da jede Kundensituation individuell betrachtet werden muss.

Krisenmagazin: Auch für Ihre rund 4.300 Beschäftigten in aller Welt glichen die Pandemiejahre 2020 und 2021 einer Achterbahnfahrt. Als global tätiges Familienunternehmen müssen Sie in Ihrer Unternehmenskommunikation außerdem viele unterschiedliche Kulturen und Sprachen vereinen. Wie gelingt Ihnen das und welche Regeln gelten für die internationale Krisenkommunikation bei Ziehl-Abegg?

Rainer Grill: Bei Ziehl-Abegg läuft eine extrem seltene Krisenkommunikation weitgehend über die Zentrale. Denn die wenigsten Ländergesellschaften haben Personal für dieses Thema. Als globaler Zulieferer hat das Unternehmen den grundsätzlichen Vorteil, dass sich der mediale Fokus in den einzelnen Ländern bei Themen wie Lieferkettenabriss eher auf die dem Verbraucher geläufigen B2C-Unternehmen richtet.

Krisenmagazin: Innovative Wege gehen Sie auch bei der Wahl Ihrer Kommunikationsinstrumente. So haben Sie im Juni 2020 die Plattform TikTok in die Unternehmenskommunikation integriert, was für ein B2B-Unternehmen eher ungewöhnlich ist. Noch im gleichen Jahr waren Sie hierfür beim Deutschen Preis für Onlinekommunikation nominiert. Müssen Ihre Kunden demnächst damit rechnen, dass der CEO tanzend bei TikTok einen Produktrückruf oder den Ausfall eines Produktionswerks verkündet?

Rainer Grill: Glücklicherweise hatten wir bisher weder einen Produktrückruf noch einen Ausfall eines Produktionswerks zu vermelden. Doch zu TikTok: Die Plattform wird oft ausschließlich als Showroom tanzender 14-Jähriger bezeichnet. Das ist falsch. Der Anteil der Älteren auf der Plattform wird stetig größer. Wir erreichen mit unseren Videoclips Millionen von Berufserfahrenen. Das zeigt sich in Kommentaren auf der Plattform und Kontakten im richtigen Leben. Der Nutzen fürs allgemeine Firmenimage und sowohl fürs Recruiting als auch für Kundenkontakte sind belegbar. Für Ziehl-Abegg als First Mover ist es ein Vorteil, dass andere B2B-Unternehmen die Plattform noch nicht richtig ernst nehmen. Der Ansatz bei Ziehl-Abegg ist rein organischer Natur: Es gibt keinen Paid Content auf TikTok und die Videos werden in der Freizeit von Mitarbeitenden gedreht.

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