Ein Spin-Off der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.
27. Jahrgang (2024) - Ausgabe 4 (April) - ISSN 1619-2389
 
 KRISENMAGAZIN
   Zeitschrift für Krisenmanagement,
   Krisenkommunikation und Krisentraining
   ISSN 1867-7541
   www.krisenmagazin.de

"Während des Blackouts hat uns der Ausfall der Telefonnetze vor große Herausforderungen gestellt"

Berlin - Über 30.000 Haushalte und mehr als 2.000 Betriebe waren am 19. und 20. Februar 2019 vom größten Stromausfall seit Jahrzehnten in Berlin betroffen. Im Berliner Stadtteil Köpenick mussten die Bürger teilweise mehr als 30 Stunden lang auf die Stromversorgung verzichten. Betroffen vom Blackout waren auch die DRK Kliniken Berlin Köpenick. Wie dort die Ausnahmesituation kommunikativ bewältigt wurde, erläutert Romina Rochow, Leiterin der Unternehmenskommunikation und Pressesprecherin der DRK Kliniken Berlin, im Rahmen des Krisenkommunikationsgipfel 2020 in Stuttgart.

Krisenmagazin: Der Blackout traf die DRK Kliniken Berlin Köpenick am Dienstagnachmittag ohne jede Vorwarnung. Grund war die Beschädigung eines Stromkabels und der Ersatzleitung bei Bauarbeiten an der Salvador-Allende-Brücke. Als Krankenhaus gehören Sie zur kritischen Infrastruktur und müssen demnach besonders gut auf einen Stromausfall vorbereitet sein. Haben sich Ihre Krisenpläne im Rückblick als hilfreich und angemessen erwiesen?

Romina Rochow: Als Verbund mit drei Notfallkrankenhäusern in Berlin und mit mehr als 3.600 Mitarbeitenden sind die DRK Kliniken Berlin Teil des Berliner Katastrophenschutzes. Mit regelmäßigen Katastrophenschutzübungen und -schulungen bereiten wir die Notfallvorsorge bei sogenannten Großschadensereignissen oder in Gefahrenlagen vor. Als in jener Nacht plötzlich im größten Teil des Stadtbezirks – im wahrsten Sinne des Wortes – das Licht ausging und das Handynetz teilweise ausfiel, haben sich unsere festgelegten Katastrophenschutzpläne dennoch bewährt. Sicherlich mussten wir an der einen oder anderen Stelle neu denken – vor allem aufgrund der Dauer des Stromausfalls, der zu den längsten in der Nachkriegsgeschichte zählt. Vorsorglich haben wir in jener Nacht 23 intensivpflichtige Patienten in andere Krankenhäuser verlegt. In Anbetracht der außergewöhnlichen Umstände und der nicht abzusehenden Dauer konnten wir die medizinische Versorgung unserer Patienten zu jeder Zeit aufrechterhalten und die Auswirkungen auf die Patientenversorgung waren gering.

Krisenmagazin: Die DRK Kliniken Berlin Köpenick beschäftigen rund 1.100 Mitarbeiter in 15 Fachabteilungen. Während des Stromausfalls fielen auch die Notrufnummern 110 und 112 sowie die Mobilfunknetze aus. Außerdem streikte nach einigen Stunden Ihr hauseigenes Notstromaggregat und musste durch mobile Notstromaggregate des Technischen Hilfswerks ersetzt werden. Wie haben Sie in diesen Stunden die Kommunikation mit Ihren eigenen Mitarbeitern und externen Dritten sichergestellt?

Romina Rochow: Der Ausfall der Telefonnetze, sowohl in der Nachbarschaft als auch bei uns im Krankenhaus, und die damit verbundene Kommunikation haben uns vor eine große Herausforderung gestellt. Normalerweise werden bei einem Katastrophenalarm, der auch in der Nacht vom 19. Februar 2019 ausgelöst wurde, alle Mitarbeitenden telefonisch kontaktiert. Mit unserer Alarmierung konnten wir unsere Kollegen jedoch nur teilweise erreichen. Ein sehr großer Vorteil war, dass viele Mitarbeiter in der nahegelegenen Nachbarschaft wohnen. Sie waren entweder selbst vom Stromausfall betroffen oder haben von den Medien darüber erfahren und sind direkt in die Klinik geeilt, um auszuhelfen.

In diesen zwei Tagen haben wir sehr viel persönlich und direkt kommuniziert. In der Nacht selbst wurde ein Krisenstab bestehend aus Vertretern der Polizei, der Senatsverwaltung, der Krankenhausleitung, dem THW sowie Technikern unter der Leitung eines Leitenden Notarztes (LNA) der Berliner Feuerwehr eingerichtet. Die wichtigsten Informationen wurden aus allen Bereichen in dem Kreis vor Ort auf der Intensivstation in kurzen Intervallen aktualisiert, um eine flüssige Kommunikation sicherzustellen.

Auch am zweiten Tag des Stromausfalls standen wir mit unseren Mitarbeitenden und Patienten im direkten Kontakt: Die Krankenhausleitung hat persönlich alle Bereiche über die Lage und weitere Maßnahmen informiert. Zudem wurden Informationszettel auf den Stationen ausgeteilt und das Pflegepersonal hat mit besorgten Patienten individuelle Gespräche geführt. Für hilfsbedürftige Nachbarn standen Kollegen im Foyer der Klinik als direkte Ansprechpartner bereit – so konnten wir zum Beispiel junge Mütter unterstützen, die eine Aufwärmmöglichkeit für Babynahrung benötigten oder Nachbarn helfen, die ihr Handy aufladen mussten.

Krisenmagazin: Die Bewältigung solcher Großschadenslagen setzt die enge und professionelle Zusammenarbeit zahlreicher Stäbe voraus - von Feuerwehr, Polizei, THW und Stromversorgern über DRK, Johanniter und Arbeiter-Samariter-Bund bis hin zum Senat, Bezirksamt und anderen Krankenhäuser. Wie hat die Abstimmung untereinander aus Ihrer Sicht funktioniert und wo könnte es beim nächsten Mal vielleicht noch besser laufen?

Romina Rochow: Die Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit und die Berliner Feuerwehr als Träger des Rettungsdienstes und Brandschutzes sind als Aufsichtsbehörden formal zuständig. Durch eine Vielzahl an Großereignissen sind deren Pläne bereits mehrfach zum Einsatz gekommen (u.a. beim Anschlag am Berliner Breitscheidplatz am 19. Dezember 2016). So sind wesentliche Bestandteile dieser Pläne die Zusammensetzungen, Alarmierungen und Alarmierungswege der beteiligten Institutionen zur Bewältigung von Großschadenslagen im Stadtgebiet.

Im konkreten Fall setzte die Berliner Feuerwehr auf eine örtliche Einsatzleitung, die Unterstützung in den Leitstellen der Hilfsorganisationen und der Leitstelle der Berliner Feuerwehr fand. Durch diese Bündelung konnte erreicht werden, dass die Beteiligten stets ein aktuelles Lagebild vorfanden und über die Planung der nächsten Schritte informiert waren. Hier zeigte sich die Erfahrung der beteiligten Organisationen bei der Bewältigung von Großschadenslagen, die auch abseits der Realität geübt werden. So sind die DRK Kliniken Berlin regelmäßig Teil von Krankenhausübungen unter realistischen Bedingungen, um Prozesse und Ressourcen zu überprüfen und bei Bedarf zu optimieren.

Es war für alle Einsatzkräfte ein absolut außergewöhnlicher und unvergesslicher Einsatz. Dank der herausragenden Teamarbeit und des unermüdlichen Einsatzes aller Beteiligten konnten wir diesen außergewöhnlich langen Stromausfall meistern und die Versorgung unserer Patienten sicherstellen. Dieser Zusammenhalt war beeindruckend.

© 2020 Krisennavigator. Alle Rechte vorbehalten.
Stand der Informationen: 01. Februar 2020. 


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schriftlicher Genehmigung des Krisennavigator - Institut für Krisenforschung, Kiel.
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Krisenmagazin: Der Blackout traf die DRK Kliniken Berlin Köpenick am Dienstagnachmittag ohne jede Vorwarnung. Grund war die Beschädigung eines Stromkabels und der Ersatzleitung bei Bauarbeiten an der Salvador-Allende-Brücke. Als Krankenhaus gehören Sie zur kritischen Infrastruktur und müssen demnach besonders gut auf einen Stromausfall vorbereitet sein. Haben sich Ihre Krisenpläne im Rückblick als hilfreich und angemessen erwiesen?

Romina Rochow: Als Verbund mit drei Notfallkrankenhäusern in Berlin und mit mehr als 3.600 Mitarbeitenden sind die DRK Kliniken Berlin Teil des Berliner Katastrophenschutzes. Mit regelmäßigen Katastrophenschutzübungen und -schulungen bereiten wir die Notfallvorsorge bei sogenannten Großschadensereignissen oder in Gefahrenlagen vor. Als in jener Nacht plötzlich im größten Teil des Stadtbezirks – im wahrsten Sinne des Wortes – das Licht ausging und das Handynetz teilweise ausfiel, haben sich unsere festgelegten Katastrophenschutzpläne dennoch bewährt. Sicherlich mussten wir an der einen oder anderen Stelle neu denken – vor allem aufgrund der Dauer des Stromausfalls, der zu den längsten in der Nachkriegsgeschichte zählt. Vorsorglich haben wir in jener Nacht 23 intensivpflichtige Patienten in andere Krankenhäuser verlegt. In Anbetracht der außergewöhnlichen Umstände und der nicht abzusehenden Dauer konnten wir die medizinische Versorgung unserer Patienten zu jeder Zeit aufrechterhalten und die Auswirkungen auf die Patientenversorgung waren gering.

Krisenmagazin: Die DRK Kliniken Berlin Köpenick beschäftigen rund 1.100 Mitarbeiter in 15 Fachabteilungen. Während des Stromausfalls fielen auch die Notrufnummern 110 und 112 sowie die Mobilfunknetze aus. Außerdem streikte nach einigen Stunden Ihr hauseigenes Notstromaggregat und musste durch mobile Notstromaggregate des Technischen Hilfswerks ersetzt werden. Wie haben Sie in diesen Stunden die Kommunikation mit Ihren eigenen Mitarbeitern und externen Dritten sichergestellt?

Romina Rochow: Der Ausfall der Telefonnetze, sowohl in der Nachbarschaft als auch bei uns im Krankenhaus, und die damit verbundene Kommunikation haben uns vor eine große Herausforderung gestellt. Normalerweise werden bei einem Katastrophenalarm, der auch in der Nacht vom 19. Februar 2019 ausgelöst wurde, alle Mitarbeitenden telefonisch kontaktiert. Mit unserer Alarmierung konnten wir unsere Kollegen jedoch nur teilweise erreichen. Ein sehr großer Vorteil war, dass viele Mitarbeiter in der nahegelegenen Nachbarschaft wohnen. Sie waren entweder selbst vom Stromausfall betroffen oder haben von den Medien darüber erfahren und sind direkt in die Klinik geeilt, um auszuhelfen.

In diesen zwei Tagen haben wir sehr viel persönlich und direkt kommuniziert. In der Nacht selbst wurde ein Krisenstab bestehend aus Vertretern der Polizei, der Senatsverwaltung, der Krankenhausleitung, dem THW sowie Technikern unter der Leitung eines Leitenden Notarztes (LNA) der Berliner Feuerwehr eingerichtet. Die wichtigsten Informationen wurden aus allen Bereichen in dem Kreis vor Ort auf der Intensivstation in kurzen Intervallen aktualisiert, um eine flüssige Kommunikation sicherzustellen.

Auch am zweiten Tag des Stromausfalls standen wir mit unseren Mitarbeitenden und Patienten im direkten Kontakt: Die Krankenhausleitung hat persönlich alle Bereiche über die Lage und weitere Maßnahmen informiert. Zudem wurden Informationszettel auf den Stationen ausgeteilt und das Pflegepersonal hat mit besorgten Patienten individuelle Gespräche geführt. Für hilfsbedürftige Nachbarn standen Kollegen im Foyer der Klinik als direkte Ansprechpartner bereit – so konnten wir zum Beispiel junge Mütter unterstützen, die eine Aufwärmmöglichkeit für Babynahrung benötigten oder Nachbarn helfen, die ihr Handy aufladen mussten.

Krisenmagazin: Die Bewältigung solcher Großschadenslagen setzt die enge und professionelle Zusammenarbeit zahlreicher Stäbe voraus - von Feuerwehr, Polizei, THW und Stromversorgern über DRK, Johanniter und Arbeiter-Samariter-Bund bis hin zum Senat, Bezirksamt und anderen Krankenhäuser. Wie hat die Abstimmung untereinander aus Ihrer Sicht funktioniert und wo könnte es beim nächsten Mal vielleicht noch besser laufen?

Romina Rochow: Die Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit und die Berliner Feuerwehr als Träger des Rettungsdienstes und Brandschutzes sind als Aufsichtsbehörden formal zuständig. Durch eine Vielzahl an Großereignissen sind deren Pläne bereits mehrfach zum Einsatz gekommen (u.a. beim Anschlag am Berliner Breitscheidplatz am 19. Dezember 2016). So sind wesentliche Bestandteile dieser Pläne die Zusammensetzungen, Alarmierungen und Alarmierungswege der beteiligten Institutionen zur Bewältigung von Großschadenslagen im Stadtgebiet.

Im konkreten Fall setzte die Berliner Feuerwehr auf eine örtliche Einsatzleitung, die Unterstützung in den Leitstellen der Hilfsorganisationen und der Leitstelle der Berliner Feuerwehr fand. Durch diese Bündelung konnte erreicht werden, dass die Beteiligten stets ein aktuelles Lagebild vorfanden und über die Planung der nächsten Schritte informiert waren. Hier zeigte sich die Erfahrung der beteiligten Organisationen bei der Bewältigung von Großschadenslagen, die auch abseits der Realität geübt werden. So sind die DRK Kliniken Berlin regelmäßig Teil von Krankenhausübungen unter realistischen Bedingungen, um Prozesse und Ressourcen zu überprüfen und bei Bedarf zu optimieren.

Es war für alle Einsatzkräfte ein absolut außergewöhnlicher und unvergesslicher Einsatz. Dank der herausragenden Teamarbeit und des unermüdlichen Einsatzes aller Beteiligten konnten wir diesen außergewöhnlich langen Stromausfall meistern und die Versorgung unserer Patienten sicherstellen. Dieser Zusammenhalt war beeindruckend.

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Stand der Informationen: 01. Februar 2020. 

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Letzte Aktualisierung: Freitag, 19. April 2024

       

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