Ein Spin-Off der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.
27. Jahrgang (2024) - Ausgabe 4 (April) - ISSN 1619-2389
 

Unternehmenskulturelle Schieflagen

von Uwe Klein und Anja Ritthaler

Überblick

Unternehmenskrisen geht eine bestimmte kulturelle Entwicklungsgeschichte voraus. Aus einem ehemals positiven Kern, also hervorstechenden positiven und produktiven Merkmalen einer Unternehmenskultur, entstehen in einer Krisensituation spezielle unternehmenskulturelle Schieflagen. Bei fortschreitendem Krisenverlauf wirkt die Unternehmenskultur dann als Katalysator. Der nachfolgende Beitrag gibt einen Überblick über typische unternehmenskulturelle Schieflagen, zeigt Ansatzpunkte zur Revitalisierung auf und beschreibt zentrale Managementkompetenzen sowie typische Managementfehler in Krisensituationen.

Typen unternehmenskultureller Schieflagen

Zum Zwecke einer praktischen Organisationsberatung werden fünf typische unternehmenskulturelle Schieflagen unterschieden:

  • Das Blender-Unternehmen: Blender-Unternehmen sind in ihrem positiven Kern mit großem Selbstbewusstsein ausgestattet. Im Krisenfall sind ein narzisstisches Verhalten und eine Unfähigkeit zur klaren Fokussierung auffällig. Strategien werden mehr aus dem Bauch heraus formuliert als auf Fakten gestützt. Strukturell fehlen häufig effektive Informationssysteme.
  • Das depressive Unternehmen: Es ist im Grunde mit einer sehr ausgeprägten Analysefähigkeit ausgestattet. Im Krisenfall sind besonders viele interne Selbstvorwürfe sowie starke Schuldgefühle zu beobachten. In den meisten Fällen sind depressive Unternehmen sehr hierarchisch und bürokratisch organisiert.
  • Das Eigenbrötler-Unternehmen: Dieser Typus besitzt im Kern ein stark ausgeprägtes Profil. Im Krisenfall zeigen sich eine gesteigerte Unbeteiligung der Mitarbeiter und ein vermehrter Rückzug nach dem Motto: "Lieber auf Distanz bleiben". Die Kommunikation im Unternehmen ist eher gering ausgeprägt.
  • Das paranoide Unternehmen: In der Ausgangssituation befinden sich paranoide Unternehmen in einer sehr guten Wettbewerbssituation. Im Krisenfall ist ein starkes Misstrauen und eine ständige Alarmbereitschaft auffällig. Strategisch betrachtet sind paranoide Unternehmen eher reaktiv statt proaktiv.
  • Das zwanghafte Unternehmen: Dieser Typus ist mit klaren und starken Strukturen ausgestattet. In der Krisensituation ist das Verhalten von akribischem Perfektionismus und einer geringen Spontaneität geprägt. Strukturell gesehen dominieren formelle Kontrollen und starre Informationssysteme.

Das Wissen um einen bestimmten unternehmenskulturellen Krisentypus erleichtert die Konzeption, die Ausgestaltung sowie die Durchführung von Organisationsentwicklungsmaßnahmen. Diese Maßnahmen dienen dem Ziel, die für den Unternehmenserfolg kritischen, "pathologischen" Verhaltensweisen aufzubrechen und zu einer Revitalisierung der Unternehmenskultur beizutragen.

Abbildung 1: Typen unternehmenskultureller Schieflagen

Revitalisierung der Unternehmenskultur

Krisensituationen in Unternehmen bergen die Gefahr, dass die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter sinkt, das Commitment verloren geht und ein geringeres Vertrauen gegenüber dem Management entsteht. Bei der Planung von Revitalisierungsprojekten sollten im Besonderen folgende Punkte berücksichtigt werden:

  • Unterstützung der Mitarbeiter auf emotionaler Ebene;
  • Qualifikation neuer Fähigkeiten und Vorbereitung auf neue Rollen;
  • Bereitstellung adäquater HR-Systeme;
  • Anpassung der vorhandenen Arbeitsorganisation.

Als Ausgangspunkt zur Revitalisierung einer Unternehmenskultur eignet sich ein Workshop-Format mit dem Ziel, Vertrauen aufzubauen, aktuelle Schwierigkeiten aufzunehmen und erste Lösungsansätze zu erarbeiten. Inhalte solcher Veranstaltungen sind exemplarisch:

  • Lagebericht zur aktuellen Unternehmenssituation;
  • Aufnahme der aktuellen Probleme;
  • Priorisierung von Problemfeldern und Auswahl von Hauptproblemen ("Top Ten List");
  • Erarbeitung von Lösungsansätzen.

Bei der Auswahl von Problemfeldern ist im Besonderen darauf zu achten, die interne und externe Perspektive zu berücksichtigen sowie die sachliche und emotionale Ebene deutlich zu machen. Das Ergebnis der Workshops kann in einem Problemportfolio übersichtlich dargestellt werden.

Abbildung 2: Problemportfolio

Bei der weiteren Ausgestaltung von Lösungsansätzen sollte die zeitliche Umsetzbarkeit (schnelle Erfolge vor langjährigen komplizierten Programmen) und die Hebelwirkung der Maßnahmen auf die Unternehmenskultur berücksichtigt werden. Dabei sind in ausgeglichenem Maße sachliche und emotionale Themenbereiche zu adressieren. Häufig ist es sinnvoll, übergreifende Gestaltungsfelder zu formulieren und explizit bestimmten Personen oder Einheiten (beispielsweise: Geschäftsführung, Personalabteilung, einzelne Geschäftsbereiche oder Abteilungen) die Verantwortung für die Bearbeitung zu übertragen. Im weiteren Verlauf erweist es sich als angemessen, Projektgruppen einzurichten, diese zu begleiten und eine fortlaufende Erfolgskontrolle zu installieren.

Um eine erfolgreiche Revitalisierung der Unternehmenskultur zu erreichen, sind folgende Grundregeln hilfreich:

  • Organisationsentwicklungsmaßnahmen auf den vorherrschenden kulturellen Krisentypus ausrichten;
  • Mitarbeitern ihre Chancen beschreiben und den möglichen Erfolgsbeitrag jedes einzelnen deutlich machen; 
  • Künftige Anforderungen an Fähigkeiten, Führung und Umgang miteinander klarstellen; 
  • Rollenerwartungen formulieren und Verantwortungen übertragen; 
  • Erste Revitalisierungserfolge kommunizieren.

Management in Krisensituationen

Wenn ein Unternehmen in die Krise rutscht, bleibt es nicht aus, dass die Ursachen für die Krise auch im Management gesucht werden. Es sind doch häufig die Top-Manager, die Chancen und Risiken eines Unternehmens durch ihre Entscheidungen prägen. Entpuppen sich in der Vergangenheit getroffene Entscheidungen als Katalysatoren einer Krise, kommen bei den Managern häufig psychologische Barrieren handlungshemmend hinzu. Aus Angst vor berechtigter Kritik aus dem Führungs- und Mitarbeiterkreis geht die Kommunikation stark zurück, neue und wichtige Entscheidungen scheitern an fehlender stringenter Umsetzung. Insgesamt versucht das Management, die reale Lage des Unternehmens zu verdrängen.

Das richtige Handeln des Top-Managements in Unternehmenskrisen hat viele Facetten. Welche speziellen Kompetenzen muss eine Führungskraft in Krisenunternehmen mitbringen? Und welche typischen Managementfehler können die Chefs in Krisensituationen vermeiden? Dies sind nur zwei von vielen Fragen, die sich beim Management in Krisensituationen stellen und auf die im folgenden Antworten gegeben werden.

"Krisen-Kompetenzen" von Führungskräften

Einen vielfältigen Kranz an Management-Kompetenzen sollte jede Führungskraft in sich vereinen, ob nun Führungsmotivation, Durchsetzungsvermögen oder Belastbarkeit, um nur einige wenige Beispiele zu geben. Diese Management-Kompetenzen sind selbstverständlich Grundvoraussetzung für alle Führungskräfte, so auch für Krisen-Manager. Aber gibt es auch spezielle "Krisen-Kompetenzen", die das Top-Management des Krisenunternehmens besitzen sollte?

Auf der Ebene von Führungskompetenzen können einige Kompetenzfelder ausgemacht werden, die für das Managementhandeln in Krisensituationen Priorität besitzen:

  • Cash-Flow-Fokus: In Krisensituationen müssen Führungskräfte weitreichende Entscheidungen häufig sehr schnell treffen. Unter diesem Hochdruck darf allerdings der Cash-Flow-Fokus nicht zu kurz kommen: Bei jeglichen Entscheidungen sollten Input und Output genau gegeneinander abgewogen werden. Dies setzt voraus, dass die Führungskräfte sowohl klare Vorstellungen über den Nutzen von Handlungen haben als auch wissen, wo in diesem Zusammenhang Kosten entstehen. Bereits laufende Aktivitäten sollten kontinuierlich hinsichtlich ihrer Cash-Flow-Orientierung überprüft und, wenn nötig, schnellstens gestoppt werden.
  • Flexibilität: Krisensituationen sind Zeiten der Veränderung für ein Unternehmen. Hohe Flexibilität ist deshalb eine zwingend notwendige Kompetenz einer Führungskraft in einem Krisenunternehmen. Improvisationstalent, Offenheit für neue Erfahrungen und schnelle Handlungsfähigkeit sind beispielhafte Eigenschaften, die eine flexible Führungskraft kennzeichnen. Es ist ebenso von Vorteil, wenn unvorhergesehene Situationen als Herausforderung und nicht als Hemmnis angesehen werden.
  • Konzentration auf Schlüsseltreiber: In keiner anderen Situation als in der Krise eines Unternehmens sind das schnelle Identifizieren und Fokussieren von Schlüsselfaktoren von so entscheidender Bedeutung. Eine Führungskraft in einem Krisenunternehmen sollte somit Schlüsseltreiber rechtzeitig erkennen und ihr Handeln an diesen ausrichten. Aber auch mögliche Störvariablen einer Entscheidung oder Aktivität müssen frühzeitig analysiert und eliminiert werden.
  • Kontinuierliche Notfallplanung: In Krisenunternehmen sind zahllose unvorhersehbare Probleme und Situationen an der Tagesordnung, nicht zuletzt aufgrund der Instabilität und der Zerreißprobe, die ein solches Unternehmen in dieser schwierigen Zeit prägt. Zur Risikominimierung ist es eine wichtige Aufgabe des Managements, eine Notfallplanung vorzubereiten und in einem kontinuierlichen Prozess aktuell zu halten. Entsprechend sind Führungskräfte mit Weitblick gefordert, die kritische Aspekte erkennen und sich Gedanken über verschiedene Szenarien machen. Von besonderer Bedeutung ist für Führungskräfte in Krisensituationen auch die Fähigkeit, sehr umsichtig agieren zu können.
  • Hohe Kommunikationskompetenz: Eine glaubhafte und ehrliche Kommunikation mit den internen und externen Stakeholdern eines Unternehmens muss in Krisensituationen eine der vordringlichsten Managementaufgaben darstellen. Um überhaupt schnelle Veränderungen im Unternehmen umsetzen zu können, ist die regelmäßige Kommunikation von Zielen, angestoßenen Projekten und priorisierten Aktivitäten notwendig. Nicht zuletzt motivieren gerade die Nachrichten über auch noch so kleine Fortschritte und Erfolge die eigenen Mitarbeiter und spornen sie in der schwierigen Situation zu hoher Leistung an. Darüber hinaus wird durch regelmäßige offene und ehrliche Kommunikation möglichen "Gerüchteküchen" vorgebeugt, die in Krisensituationen schnell zu einem nachteiligen Sog werden können.

Typische Managementfehler vermeiden

Trotz aller vorhandenen "Krisen-Kompetenzen" kann es dennoch zu Verhaltensblockaden bei Führungskräften in Krisensituationen kommen. Zur erfolgreichen Bewältigung von Krisen ist es deshalb sinnvoll, sich typischer operativer Managementfehler bewusst zu werden. Zumindest fünf Muster von Fehlverhalten sind häufig zu beobachtende Phänomene beim Umgang mit Krisen:

  • Vage Zielformulierung: Zum Schutz vor weiteren Niederlagen durch das Verfehlen gesteckter Ziele bleiben neue Zielformulierungen häufig sehr unkonkret. Im Umkehrschluss führt dieses Phänomen dann zu Umsetzungsmaßnahmen, die nicht konsequent genug verfolgt werden oder gar in eine völlig konträre Richtung führen.
  • Wahrung der eigenen Kompetenz: Im Vordergrund des Management-Handelns steht häufig die Wahrung des eigenen positiven Bildes – sowohl innerhalb des Unternehmens als auch in der Öffentlichkeit. Nicht selten führt dies zu einer viel zu optimistischen Darstellung von Tatsachen.
  • Nichtbeachtung zeitlicher Verzögerungen: Bei vielen Maßnahmen, die in Krisensituationen angestoßen werden, wird nicht berücksichtigt, dass zwischen formulierten Maßnahmen und deren eigentlich eintretenden Effekten häufig ein längerer Zeitraum liegt.
  • Tendenz des Ausweichens und Vereinfachens: In Krisenzeiten versuchen Manager oft mit allen Mitteln, auftauchenden Problemen auszuweichen. Gleichzeitig werden bei Überlegungen zu Problemlösungen häufig auch dringend notwendige Denkschritte ausgelassen und Nebenwirkungen von Maßnahmen nicht genügend berücksichtigt.
  • "Reparaturdienst-Verhalten": Die alleinige Konzentration auf jeweils aktuell auftretende Probleme, die ad hoc zu lösen versucht werden, ist ein weiteres, häufig zu beobachtendes Phänomen. Die wechselseitige Verknüpfung der auftretenden Probleme wird dabei völlig außer acht gelassen.

Verhaltensblockaden sind letztendlich Phänomene, die auf die Charaktere der Führungspersönlichkeiten in Krisenunternehmen zurückgehen, entsprechend lassen sich diese auch nicht völlig ausschalten. Macht man sich jedoch in Krisensituationen diese typischen Managementfehler bewusst, kann man seine eigenen Verhaltensweisen entsprechend kontrollieren und gezielt gegensteuern. Es gilt hier, wie so oft: Selbsterkennung ist der erste Schritt zur Besserung.

Zusammenfassung

Insgesamt betrachtet leistet ein stärkerer Einbezug von kulturellen, führungs- und managementrelevanten Faktoren einen substanziellen Beitrag zum erfolgreichen Handeln in Unternehmenskrisen.

  • Aus der Perspektive der Organisationsentwicklung heraus ist es eine große Herausforderung, Anzeichen von Schieflagen frühzeitig zu erkennen, diesen präventiv zu begegnen und somit den Einfluss von Kultur als Katalysator im Krisenfalle möglichst gering zu halten.
  • Aus der Perspektive der Personalentwicklung gilt es, die notwendigen Krisenfähigkeiten, die nicht nur in Krisensituationen besondere Relevanz besitzen, auf- oder auszubauen. Auch trägt das Wissen um typische Managementfehler zur erfolgreichen Bewältigung von Unternehmenskrisen bei.

Praxisbeispiel

Ein traditionsreiches Pressehaus gerät mit einem  fortschreitenden Einbruch der gewerblichen Anzeigen in eine kritische Ergebnissituation. In der Vergangenheit wurden Vertrieb/Anzeigenleitung, Druck und Redaktion weitgehend nebeneinander geführt. Das Unternehmen sieht sich unter starkem externen Druck, in allen Bereichen sowohl Einsparungen zu realisieren wie auch deutlich effizienter zu werden, das heißt, mit weniger Personal mehr Arbeit zu leisten. Weitgehend parallel zu betriebsbedingten Entlassungen muss in Teilen der Redaktion ein neues Konzept eingeführt werden, weil mit der finanziellen Restrukturierung auch Veränderungen in Marktauftritt und Marktbearbeitung einher gehen.

Die besondere Herausforderung aus Human Capital-Sicht besteht darin, in einer Reihe von Teilredaktionen Arbeitsfähigkeit mit neu zusammengestellten Teams sicher zu stellen beziehungsweise diese neu einzuführen. Außerdem sind eine Fülle von Herausforderungen durch Personalabbau und Restrukturierungsmaßnahmen zu bewältigen, zum Beispiel:

  • Wie betreffen Personalabbau und Sparmaßnahmen mein Selbstverständnis als Journalist hinsichtlich der Arbeitsteilung innerhalb des Schreiber-Teams, aber auch zwischen Schreibern und Machern?

  • Wie soll man mit den Schuldgefühlen umgehen, "überlebt" zu haben, obwohl qualifizierte Kollegen dem Personalabbau zum Opfer gefallen sind?

  • Wie steuert man Redaktionen, wenn die professionelle Identität auf dem Prüfstand steht, aber jeden Tag das Produkt neu am Kiosk sein muss?

  • Wie können Ertrags- und Kostenmanagement-Ziele in den Redaktionsalltag hinein vermittelt werden, ohne die Qualität der eigenen Arbeit zu negieren?

  • Wie kann die Unternehmenskultur der Redaktionen wieder revitalisiert werden?

Quelle

Dieser Fachbeitrag wurde - mit freundlicher Genehmigung der Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH - der folgenden Publikation entnommen:

Vorstand der Sektion Arbeits-‚ Betriebs-
und Organisationspsychologie im
Berufsverband Deutscher Psychologen
und Psychologinnen e.V. (Hrsg.),
Wirtschaftspsychologie aktuell,
Heft 2, Jahrgang 2003, Seite 64 bis 68

 Autoren

Uwe Klein
KPMG Deutsche Treuhand-Gesellschaft AG
CR Human Capital Management
Marie-Curie-Straße 30
D-60439 Frankfurt am Main
Telefon: +49 (0)69 95 87 - 26 81
Telefax: +49 (0)69 95 87 - 24 32
Internet: www.kpmg.de
E-Mail: uweklein@kpmg.com

 

Anja Ritthaler
KPMG Deutsche Treuhand-Gesellschaft AG
CR Human Capital Management
Marie-Curie-Straße 30
D-60439 Frankfurt am Main
Telefon: +49 (0)69 95 87 - 17 75
Telefax: +49 (0)69 95 87 - 24 32
Internet: www.kpmg.de
E-Mail: aritthaler@kpmg.com

 

Erstveröffentlichung im Krisennavigator (ISSN 1619-2389):
7. Jahrgang (2004), Ausgabe 3 (März)


Vervielfältigung und Verbreitung - auch auszugsweise - nur mit ausdrücklicher
schriftlicher Genehmigung des Krisennavigator - Institut für Krisenforschung, Kiel.
© Krisennavigator 1998-2024. Alle Rechte vorbehalten. ISSN 1619-2389.
Internet:
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Unternehmenskulturelle Schieflagen

von Uwe Klein und Anja Ritthaler

Überblick

Unternehmenskrisen geht eine bestimmte kulturelle Entwicklungsgeschichte voraus. Aus einem ehemals positiven Kern, also hervorstechenden positiven und produktiven Merkmalen einer Unternehmenskultur, entstehen in einer Krisensituation spezielle unternehmenskulturelle Schieflagen. Bei fortschreitendem Krisenverlauf wirkt die Unternehmenskultur dann als Katalysator. Der nachfolgende Beitrag gibt einen Überblick über typische unternehmenskulturelle Schieflagen, zeigt Ansatzpunkte zur Revitalisierung auf und beschreibt zentrale Managementkompetenzen sowie typische Managementfehler in Krisensituationen.

Typen unternehmenskultureller Schieflagen

Zum Zwecke einer praktischen Organisationsberatung werden fünf typische unternehmenskulturelle Schieflagen unterschieden:

Das Wissen um einen bestimmten unternehmenskulturellen Krisentypus erleichtert die Konzeption, die Ausgestaltung sowie die Durchführung von Organisationsentwicklungsmaßnahmen. Diese Maßnahmen dienen dem Ziel, die für den Unternehmenserfolg kritischen, "pathologischen" Verhaltensweisen aufzubrechen und zu einer Revitalisierung der Unternehmenskultur beizutragen.

Abbildung 1: Typen unternehmenskultureller Schieflagen

Revitalisierung der Unternehmenskultur

Krisensituationen in Unternehmen bergen die Gefahr, dass die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter sinkt, das Commitment verloren geht und ein geringeres Vertrauen gegenüber dem Management entsteht. Bei der Planung von Revitalisierungsprojekten sollten im Besonderen folgende Punkte berücksichtigt werden:

Als Ausgangspunkt zur Revitalisierung einer Unternehmenskultur eignet sich ein Workshop-Format mit dem Ziel, Vertrauen aufzubauen, aktuelle Schwierigkeiten aufzunehmen und erste Lösungsansätze zu erarbeiten. Inhalte solcher Veranstaltungen sind exemplarisch:

Bei der Auswahl von Problemfeldern ist im Besonderen darauf zu achten, die interne und externe Perspektive zu berücksichtigen sowie die sachliche und emotionale Ebene deutlich zu machen. Das Ergebnis der Workshops kann in einem Problemportfolio übersichtlich dargestellt werden.

Abbildung 2: Problemportfolio

Bei der weiteren Ausgestaltung von Lösungsansätzen sollte die zeitliche Umsetzbarkeit (schnelle Erfolge vor langjährigen komplizierten Programmen) und die Hebelwirkung der Maßnahmen auf die Unternehmenskultur berücksichtigt werden. Dabei sind in ausgeglichenem Maße sachliche und emotionale Themenbereiche zu adressieren. Häufig ist es sinnvoll, übergreifende Gestaltungsfelder zu formulieren und explizit bestimmten Personen oder Einheiten (beispielsweise: Geschäftsführung, Personalabteilung, einzelne Geschäftsbereiche oder Abteilungen) die Verantwortung für die Bearbeitung zu übertragen. Im weiteren Verlauf erweist es sich als angemessen, Projektgruppen einzurichten, diese zu begleiten und eine fortlaufende Erfolgskontrolle zu installieren.

Um eine erfolgreiche Revitalisierung der Unternehmenskultur zu erreichen, sind folgende Grundregeln hilfreich:

Management in Krisensituationen

Wenn ein Unternehmen in die Krise rutscht, bleibt es nicht aus, dass die Ursachen für die Krise auch im Management gesucht werden. Es sind doch häufig die Top-Manager, die Chancen und Risiken eines Unternehmens durch ihre Entscheidungen prägen. Entpuppen sich in der Vergangenheit getroffene Entscheidungen als Katalysatoren einer Krise, kommen bei den Managern häufig psychologische Barrieren handlungshemmend hinzu. Aus Angst vor berechtigter Kritik aus dem Führungs- und Mitarbeiterkreis geht die Kommunikation stark zurück, neue und wichtige Entscheidungen scheitern an fehlender stringenter Umsetzung. Insgesamt versucht das Management, die reale Lage des Unternehmens zu verdrängen.

Das richtige Handeln des Top-Managements in Unternehmenskrisen hat viele Facetten. Welche speziellen Kompetenzen muss eine Führungskraft in Krisenunternehmen mitbringen? Und welche typischen Managementfehler können die Chefs in Krisensituationen vermeiden? Dies sind nur zwei von vielen Fragen, die sich beim Management in Krisensituationen stellen und auf die im folgenden Antworten gegeben werden.

"Krisen-Kompetenzen" von Führungskräften

Einen vielfältigen Kranz an Management-Kompetenzen sollte jede Führungskraft in sich vereinen, ob nun Führungsmotivation, Durchsetzungsvermögen oder Belastbarkeit, um nur einige wenige Beispiele zu geben. Diese Management-Kompetenzen sind selbstverständlich Grundvoraussetzung für alle Führungskräfte, so auch für Krisen-Manager. Aber gibt es auch spezielle "Krisen-Kompetenzen", die das Top-Management des Krisenunternehmens besitzen sollte?

Auf der Ebene von Führungskompetenzen können einige Kompetenzfelder ausgemacht werden, die für das Managementhandeln in Krisensituationen Priorität besitzen:

Typische Managementfehler vermeiden

Trotz aller vorhandenen "Krisen-Kompetenzen" kann es dennoch zu Verhaltensblockaden bei Führungskräften in Krisensituationen kommen. Zur erfolgreichen Bewältigung von Krisen ist es deshalb sinnvoll, sich typischer operativer Managementfehler bewusst zu werden. Zumindest fünf Muster von Fehlverhalten sind häufig zu beobachtende Phänomene beim Umgang mit Krisen:

Verhaltensblockaden sind letztendlich Phänomene, die auf die Charaktere der Führungspersönlichkeiten in Krisenunternehmen zurückgehen, entsprechend lassen sich diese auch nicht völlig ausschalten. Macht man sich jedoch in Krisensituationen diese typischen Managementfehler bewusst, kann man seine eigenen Verhaltensweisen entsprechend kontrollieren und gezielt gegensteuern. Es gilt hier, wie so oft: Selbsterkennung ist der erste Schritt zur Besserung.

Zusammenfassung

Insgesamt betrachtet leistet ein stärkerer Einbezug von kulturellen, führungs- und managementrelevanten Faktoren einen substanziellen Beitrag zum erfolgreichen Handeln in Unternehmenskrisen.

Praxisbeispiel

Ein traditionsreiches Pressehaus gerät mit einem  fortschreitenden Einbruch der gewerblichen Anzeigen in eine kritische Ergebnissituation. In der Vergangenheit wurden Vertrieb/Anzeigenleitung, Druck und Redaktion weitgehend nebeneinander geführt. Das Unternehmen sieht sich unter starkem externen Druck, in allen Bereichen sowohl Einsparungen zu realisieren wie auch deutlich effizienter zu werden, das heißt, mit weniger Personal mehr Arbeit zu leisten. Weitgehend parallel zu betriebsbedingten Entlassungen muss in Teilen der Redaktion ein neues Konzept eingeführt werden, weil mit der finanziellen Restrukturierung auch Veränderungen in Marktauftritt und Marktbearbeitung einher gehen.

Die besondere Herausforderung aus Human Capital-Sicht besteht darin, in einer Reihe von Teilredaktionen Arbeitsfähigkeit mit neu zusammengestellten Teams sicher zu stellen beziehungsweise diese neu einzuführen. Außerdem sind eine Fülle von Herausforderungen durch Personalabbau und Restrukturierungsmaßnahmen zu bewältigen, zum Beispiel:

  • Wie betreffen Personalabbau und Sparmaßnahmen mein Selbstverständnis als Journalist hinsichtlich der Arbeitsteilung innerhalb des Schreiber-Teams, aber auch zwischen Schreibern und Machern?

  • Wie soll man mit den Schuldgefühlen umgehen, "überlebt" zu haben, obwohl qualifizierte Kollegen dem Personalabbau zum Opfer gefallen sind?

  • Wie steuert man Redaktionen, wenn die professionelle Identität auf dem Prüfstand steht, aber jeden Tag das Produkt neu am Kiosk sein muss?

  • Wie können Ertrags- und Kostenmanagement-Ziele in den Redaktionsalltag hinein vermittelt werden, ohne die Qualität der eigenen Arbeit zu negieren?

  • Wie kann die Unternehmenskultur der Redaktionen wieder revitalisiert werden?

Quelle

Dieser Fachbeitrag wurde - mit freundlicher Genehmigung der Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH - der folgenden Publikation entnommen:

Vorstand der Sektion Arbeits-‚ Betriebs-
und Organisationspsychologie im
Berufsverband Deutscher Psychologen
und Psychologinnen e.V. (Hrsg.),
Wirtschaftspsychologie aktuell,
Heft 2, Jahrgang 2003, Seite 64 bis 68

 Autoren

Uwe Klein
KPMG Deutsche Treuhand-Gesellschaft AG
CR Human Capital Management
Marie-Curie-Straße 30
D-60439 Frankfurt am Main
Telefon: +49 (0)69 95 87 - 26 81
Telefax: +49 (0)69 95 87 - 24 32
Internet: www.kpmg.de
E-Mail: uweklein@kpmg.com

 

Anja Ritthaler
KPMG Deutsche Treuhand-Gesellschaft AG
CR Human Capital Management
Marie-Curie-Straße 30
D-60439 Frankfurt am Main
Telefon: +49 (0)69 95 87 - 17 75
Telefax: +49 (0)69 95 87 - 24 32
Internet: www.kpmg.de
E-Mail: aritthaler@kpmg.com

 

Erstveröffentlichung im Krisennavigator (ISSN 1619-2389):
7. Jahrgang (2004), Ausgabe 3 (März)

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Letzte Aktualisierung: Dienstag, 16. April 2024

       

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