Ein Spin-Off der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.
27. Jahrgang (2024) - Ausgabe 4 (April) - ISSN 1619-2389
 
 KRISENMAGAZIN
   Zeitschrift für Krisenmanagement,
   Krisenkommunikation und Krisentraining
   ISSN 1867-7541
   www.krisenmagazin.de

"Bei der Erkennung von Des- und Misinformationen tauscht sich der rbb mit der Wissenschaft aus"

Ob der Großbrand im brandenburgischen Landkreis Elbe-Elster im Juli 2022 oder der 31-stündige Stromausfall im Berliner Bezirk Treptow-Köpenick im Februar 2019 – auch die mehr als sechs Millionen Menschen in Berlin und Brandenburg bleiben von Katastrophen nicht verschont. Wie versorgt der Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) die Menschen in solchen Situationen zuverlässig mit Informationen? Seit 2021 geht Silja Bilz als Projektleiterin Krisenkommunikation im Technischen Innovationsmanagement des rbb dieser Frage im Projekt "ResKriVer – Resiliente Versorgungsnetze" nach. Mit dabei sind auch elf weitere Institutionen wie die Berliner Feuerwehr und die Charité. Im Gespräch mit dem Krisenmagazin erläutert Silja Bilz als Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Krisenmanagement e.V. (DGfKM) auch, wie sich der rbb gegen Fake-News in Krisenzeiten wappnet.

Krisenmagazin: Als Teil der kritischen Infrastruktur muss der rbb eine möglichst störungsfreie Warnung und Information der Bevölkerung auch bei einem längerfristigen Stromausfall oder bei einer schweren Naturkatastrophe sicherstellen. Wie kommunizieren Sie mit den Berlinern und Brandenburgern, wenn viele gewohnte Ausspielwege nicht mehr verfügbar sind?

Silja BilzSilja Bilz: Grundsätzlich gilt, Informationen auf allen wesentlichen Verbreitungswegen bereitzustellen, um möglichst viele Menschen umgehend zu erreichen - also Radio, Fernsehen und Online. Amtliche Warnungen und Alarmierungen verbreitet der rbb als sogenannter "Warnmultiplikator" des Modularen Warnsystems (MoWaS) des Bundes entsprechend der verschiedenen Warnstufen. Ein Notfallmanagementsystem stellt zudem die Produktions- und Sendefähigkeit des rbb auch in Katastrophenlagen sicher. Entsprechend der Rahmenbedingungen in Katastrophenlagen bzw. der den Menschen dann zur Verfügung stehenden Kommunikationsmittel werden Verbreitungswege priorisiert. Bereits wenn der Strom länger ausfällt und der Akku des Mobiltelefons leer ist, können die Menschen nicht mehr – wie gewohnt – Informationen empfangen.

Mit Blick auf das Worst-Case-Szenario "flächendeckender und langanhaltender Stromausfall" in der gesamten Region werden Informationen über rbb24 Inforadio in der Region verbreitet. Alle rbb-Hörfunksender übernehmen dann automatisch das Programm von rbb24 Inforadio. Ein batterie- bzw. akkubetriebenes UKW- oder DAB-Radiogerät sollte zur Basisausstattung aller Haushalte gehören, um auch in Katastrophenlagen weiterhin relevante Informationen empfangen zu können. In unserem Innovationsvorhaben erprobt der rbb zudem ein Katastrophenschutz-Leuchtturm-System. Dieses technische System kann eine weitere Möglichkeit darstellen, um relevante Informationen direkt von "Behörden und Organisation mit Sicherheitsaufgaben" (BOS) zu beschaffen und die Menschen mit Informationen vor Ort zu versorgen.

Krisenmagazin: Krisen und Katastrophen rufen regelmäßig auch Verschwörungstheoretiker auf den Plan. Ebenso können manipulierte Videos und Fake-News schnell Eingang in die Medienberichterstattung finden. Wie wappnet sich der rbb hierauf und stellt die Vertrauenswürdigkeit seiner Berichterstattung auch in Krisenzeiten sicher?

Silja Bilz: Eine unabhängige, sachliche, wahrheitsgemäße und umfassende Information und Berichterstattung ist ein wesentlicher Grundsatz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Das ist umso wichtiger in einer Zeit, in der es immer schwerer wird, Fakten von gezielten Falschinformationen (Desinformationen) oder Fehlinformationen zu unterscheiden. Qualitätsjournalismus heißt also auch, Informationen vor Verbreitung auf Wahrheit und Herkunft zu prüfen und relevante Erkenntnisse transparent zu machen. Das ist umso wichtiger mit Blick auf die Einordnung der Geschehnisse in großen Lagen. Auch dafür ist der rbb da: Informationen einzuordnen und verständlich zu erläutern.

Zur stetigen Verbesserung bei der Erkennung bzw. Analyse von Des- und Misinformationen tauscht sich der rbb kontinuierlich mit der Wissenschaft und Forschung aus. Hier geht es beispielsweise um unterstützende KI-basierte Detektion im Umfeld des Bevölkerungsschutzes. Zudem beteiligt sich der rbb an Förderprojekten. Das KI-Projekt "news-polygraph" ist im Frühjahr gestartet. Eine umfassende Toolbox zur schnellen, nachvollziehbaren Verifikation digitaler Inhalte soll für Journalistinnen und Journalisten bereitgestellt werden, um beispielsweise bestehende Workflows im rbb-Newsroom weiter zu unterstützen.

Krisenmagazin: Stromausfälle, Naturkatastrophen und politische Spannungslagen betreffen auch Menschen mit körperlicher und geistiger Behinderung, mit mangelnden Deutschkenntnissen und kulturellen Besonderheiten. Inwieweit berücksichtigt der rbb solche Aspekte der Integration und Vielfalt bei der Aufbereitung und Vermittlung von Katastropheninformationen?

Silja Bilz: Der freie und ungehinderte Zugang zu verlässlichen und unabhängigen Informationen auf allen relevanten Wegen für alle Bevölkerungsgruppen der Region, das ist der Anspruch. Demnach beschäftigen wir uns in unserem Innovationsvorhaben zur Krisenkommunikation mit den Bedarfen der Menschen, die aus ganz verschiedenen Gründen Medien und Inhalte nur eingeschränkt nutzen oder verstehen können. Dazu sprechen wir beispielsweise mit vulnerablen Personengruppen über "Extremhitze" oder Stromausfälle. Ziel ist es, auszuloten, was sind Gemeinsamkeiten und wo gilt es, differenzierte Angebote zu ermöglichen – zur gleichberechtigten Teilhabe an Informationen und mit Weitblick auf technische und redaktionelle Möglichkeiten.

Weitere Informationen:
ResKriVer - Resiliente Versorgungsnetze
news-polygraph

© 2023 Krisennavigator. Alle Rechte vorbehalten.
Stand der Informationen: 29. September 2023.


Vervielfältigung und Verbreitung - auch auszugsweise - nur mit ausdrücklicher
schriftlicher Genehmigung des Krisennavigator - Institut für Krisenforschung, Kiel.
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Ob der Großbrand im brandenburgischen Landkreis Elbe-Elster im Juli 2022 oder der 31-stündige Stromausfall im Berliner Bezirk Treptow-Köpenick im Februar 2019 – auch die mehr als sechs Millionen Menschen in Berlin und Brandenburg bleiben von Katastrophen nicht verschont. Wie versorgt der Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) die Menschen in solchen Situationen zuverlässig mit Informationen? Seit 2021 geht Silja Bilz als Projektleiterin Krisenkommunikation im Technischen Innovationsmanagement des rbb dieser Frage im Projekt "ResKriVer – Resiliente Versorgungsnetze" nach. Mit dabei sind auch elf weitere Institutionen wie die Berliner Feuerwehr und die Charité. Im Gespräch mit dem Krisenmagazin erläutert Silja Bilz als Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Krisenmanagement e.V. (DGfKM) auch, wie sich der rbb gegen Fake-News in Krisenzeiten wappnet.

Krisenmagazin: Als Teil der kritischen Infrastruktur muss der rbb eine möglichst störungsfreie Warnung und Information der Bevölkerung auch bei einem längerfristigen Stromausfall oder bei einer schweren Naturkatastrophe sicherstellen. Wie kommunizieren Sie mit den Berlinern und Brandenburgern, wenn viele gewohnte Ausspielwege nicht mehr verfügbar sind?

Silja BilzSilja Bilz: Grundsätzlich gilt, Informationen auf allen wesentlichen Verbreitungswegen bereitzustellen, um möglichst viele Menschen umgehend zu erreichen - also Radio, Fernsehen und Online. Amtliche Warnungen und Alarmierungen verbreitet der rbb als sogenannter "Warnmultiplikator" des Modularen Warnsystems (MoWaS) des Bundes entsprechend der verschiedenen Warnstufen. Ein Notfallmanagementsystem stellt zudem die Produktions- und Sendefähigkeit des rbb auch in Katastrophenlagen sicher. Entsprechend der Rahmenbedingungen in Katastrophenlagen bzw. der den Menschen dann zur Verfügung stehenden Kommunikationsmittel werden Verbreitungswege priorisiert. Bereits wenn der Strom länger ausfällt und der Akku des Mobiltelefons leer ist, können die Menschen nicht mehr – wie gewohnt – Informationen empfangen.

Mit Blick auf das Worst-Case-Szenario "flächendeckender und langanhaltender Stromausfall" in der gesamten Region werden Informationen über rbb24 Inforadio in der Region verbreitet. Alle rbb-Hörfunksender übernehmen dann automatisch das Programm von rbb24 Inforadio. Ein batterie- bzw. akkubetriebenes UKW- oder DAB-Radiogerät sollte zur Basisausstattung aller Haushalte gehören, um auch in Katastrophenlagen weiterhin relevante Informationen empfangen zu können. In unserem Innovationsvorhaben erprobt der rbb zudem ein Katastrophenschutz-Leuchtturm-System. Dieses technische System kann eine weitere Möglichkeit darstellen, um relevante Informationen direkt von "Behörden und Organisation mit Sicherheitsaufgaben" (BOS) zu beschaffen und die Menschen mit Informationen vor Ort zu versorgen.

Krisenmagazin: Krisen und Katastrophen rufen regelmäßig auch Verschwörungstheoretiker auf den Plan. Ebenso können manipulierte Videos und Fake-News schnell Eingang in die Medienberichterstattung finden. Wie wappnet sich der rbb hierauf und stellt die Vertrauenswürdigkeit seiner Berichterstattung auch in Krisenzeiten sicher?

Silja Bilz: Eine unabhängige, sachliche, wahrheitsgemäße und umfassende Information und Berichterstattung ist ein wesentlicher Grundsatz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Das ist umso wichtiger in einer Zeit, in der es immer schwerer wird, Fakten von gezielten Falschinformationen (Desinformationen) oder Fehlinformationen zu unterscheiden. Qualitätsjournalismus heißt also auch, Informationen vor Verbreitung auf Wahrheit und Herkunft zu prüfen und relevante Erkenntnisse transparent zu machen. Das ist umso wichtiger mit Blick auf die Einordnung der Geschehnisse in großen Lagen. Auch dafür ist der rbb da: Informationen einzuordnen und verständlich zu erläutern.

Zur stetigen Verbesserung bei der Erkennung bzw. Analyse von Des- und Misinformationen tauscht sich der rbb kontinuierlich mit der Wissenschaft und Forschung aus. Hier geht es beispielsweise um unterstützende KI-basierte Detektion im Umfeld des Bevölkerungsschutzes. Zudem beteiligt sich der rbb an Förderprojekten. Das KI-Projekt "news-polygraph" ist im Frühjahr gestartet. Eine umfassende Toolbox zur schnellen, nachvollziehbaren Verifikation digitaler Inhalte soll für Journalistinnen und Journalisten bereitgestellt werden, um beispielsweise bestehende Workflows im rbb-Newsroom weiter zu unterstützen.

Krisenmagazin: Stromausfälle, Naturkatastrophen und politische Spannungslagen betreffen auch Menschen mit körperlicher und geistiger Behinderung, mit mangelnden Deutschkenntnissen und kulturellen Besonderheiten. Inwieweit berücksichtigt der rbb solche Aspekte der Integration und Vielfalt bei der Aufbereitung und Vermittlung von Katastropheninformationen?

Silja Bilz: Der freie und ungehinderte Zugang zu verlässlichen und unabhängigen Informationen auf allen relevanten Wegen für alle Bevölkerungsgruppen der Region, das ist der Anspruch. Demnach beschäftigen wir uns in unserem Innovationsvorhaben zur Krisenkommunikation mit den Bedarfen der Menschen, die aus ganz verschiedenen Gründen Medien und Inhalte nur eingeschränkt nutzen oder verstehen können. Dazu sprechen wir beispielsweise mit vulnerablen Personengruppen über "Extremhitze" oder Stromausfälle. Ziel ist es, auszuloten, was sind Gemeinsamkeiten und wo gilt es, differenzierte Angebote zu ermöglichen – zur gleichberechtigten Teilhabe an Informationen und mit Weitblick auf technische und redaktionelle Möglichkeiten.

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Letzte Aktualisierung: Samstag, 27. April 2024

       

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