Ein Spin-Off der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.
27. Jahrgang (2024) - Ausgabe 4 (April) - ISSN 1619-2389
 

Historischer Überblick über die
betriebswirtschaftliche Krisenforschung

von Kirsten Schwinn

Unternehmenskrisen: Ein Forschungsfeld mit Tradition

Krisen aller Art beschäftigen die Medien täglich. Auch die Wirtschaft liefert mit zahlreichen ökonomischen Krisen ihren Beitrag. Man denke nur an die "Werfen-Krise", die "Krise des Standorts Deutschland" oder die "Jahr-2000-Krise". Schon früh hat sich daher auch die Wissenschaft mit dem Thema "Unternehmenskrise" auseinandergesetzt. Bereits um die Jahrhundertwende gab es in der deutschsprachigen Betriebswirtschaftslehre erste Ansätze zur Behandlung von krisenspezifischen Fragestellungen. Vornehmlich handelte es sich hierbei um Arbeiten über die finanzielle Sanierung von Aktiengesellschaften.

Von der Weltwirtschaftskrise zur Ölkrise:
Sanierung und Insolvenz bestimmten die Forschungsdiskussion

Ihren ersten Höhepunkt erlebte die betriebswirtschaftliche Krisenforschung Anfang der 30er Jahre infolge der Weltwirtschaftskrise. Eine Vielzahl von Autoren beschäftigte sich aus aktuellem Anlaß mit Fragen zur Sanierung und Liquidation von Unternehmen. Außerdem wurde bereits zu diesem Zeitpunkt versucht, eine eigene Krisenlehre für die "notleidende" Unternehmung zu entwickeln.

Dennoch war es zu dieser Zeit überwiegend die Volkswirtschaftslehre, die sich mit dem Krisenbegriff befaßte. Im Mittelpunkt stand die Frage, was im Konjunkturverlauf getan werden kann, um trotz einer Depression die Ziele "Vollbeschäftigung", "Außenwirtschaftliches Gleichgewicht", "Angemessenes Wachstum" und "Preisstabilität" zu erreichen.

Als nach dem Zweiten Weltkrieg - insbesondere in den fünfziger und frühen sechziger Jahren - ein noch nie dargewesenes Wirtschaftswachstum eingesetzte, verlagerte sich das Forschungsinteresse der Wirtschaftswissenschaftler vorübergehend auf andere Themenschwerpunkte. Erst die Rezessionsjahre 1966/67 gaben der Betriebswirtschaftslehre wieder krisenorientierte Forschungsimpulse. Krisenantizipation und Krisenvermeidung standen fortan im Mittelpunkt der Überlegungen. Zunehmende strukturelle und konjunkturelle Probleme der Wirtschaft - insbesondere infolge der ersten Ölkrise 1973/74 - setzten in den siebziger Jahren eine breite Diskussion zu den Themen "Sanierung" und "Insolvenz" in Gang. Die Publikationen enthielten zumeist die auf Erfahrung beruhenden Befunde von Praktikern und beschränkten sich weitgehend auf eine Auflistung von Fallbeispielen. Eine theoretische Beschäftigung mit Fragen des Krisenmanagements kam erst langsam auf.

Betriebswirtschaftliches Krisenmanagement:
Die Abkehr von der "Schönwetterpolitik"

Insbesondere die zweite Ölkrise 1978/79 machte deutlich, daß die erste Ölkrise 1973/74 kein einmaliges Ereignis war. Eine vertiefende Auseinandersetzung mit Fragen des Krisenmanagements wurde unumgänglich. Die zunehmende Verbreitung der Datenverarbeitungstechnik sowie der dadurch initiierte Wandel von der klassischen Industriegesellschaft hin zur Informations- und Dienstleistungsgesellschaft zwangen die Unternehmen, immer schneller und umfassender auf sich verändernde Umweltbedingungen zu reagieren. Dieses erhöhte jedoch auch die Wahrscheinlichkeit für den Ausbruch einer Unternehmenskrise.

Für die betriebswirtschaftliche Forschung stand daher nicht mehr nur die Frage nach der Insolvenzvorhersage zum Schutz von Gläubigerinteressen im Mittelpunkt, sondern nun auch die Abwendung einer Unternehmenskrise insgesamt. In Anlehnung an die Sozialwissenschaften wurden drei verschiedene Forschungsansätze verfolgt:

  • Der entscheidungstheoretische Ansatz interpretiert die Krise als ein Entscheidungsproblem unter Zeitdruck. 
  • Der organisations- und systemtheoretische Ansatz beschreibt die Krise als eine Systemkrise. Diese liegt vor, wenn das Repertoire an Steuerungsmechanismen eines Systems nicht ausreicht, um ein Problem zu lösen.
  • Der strukturtheoretische Ansatz stellt die Krise als eine Strukturkrise dar, in der System und Umwelt nicht mehr kompatibel sind.

Die betriebswirtschaftlichen Auseinandersetzungen mit Unternehmenskrisen waren von der Frage geleitet, ob eine Unternehmenskrise mit Führungsversagen gleichzusetzen ist. Aus diesem Grund beschäftigten sich die Veröffentlichungen vornehmlich mit der Organisation der Unternehmung und dem Führungsverhalten. Als "Meilenstein" kann die Tagung des Verbandes der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft gewertet werden, die im Jahre 1979 unter dem Thema "Unternehmenskrisen – Ursachen, Frühwarnung und Bewältigung" stand. Erstmals einigte man sich hier auf ein einheitliches Begriffsverständnis und entwickelte ein gemeinsames Forschungsprogramm.

Nachdem erkannt worden war, daß die Betriebswirtschaftslehre keine "Schönwetterpolitik" ist, nahmen die Publikationen zum Thema "Krisenmanagement" kontinuierlich zu. Die Akzente verschoben sich dabei jeweils mit der Wirtschaftslage.

Betriebswirtschaftliche Krisendiagnose:
Der Ökonom als Diagnostiker und Therapeut

In den achtziger Jahren wurde die Erforschung von Mißerfolgsursachen zum zentralen Anliegen der betriebswirtschaftlichen Krisenforschung. Anlaß hierfür gab die explosiv gestiegene Zahl von Insolvenzen. Sie erreichte Mitte der achtziger Jahre mit 109.962 Unternehmenszusammenbrüchen einen neuen Höchststand und lag damit mehr als doppelt so hoch wie noch Mitte der siebziger Jahre. Zahlreiche Veröffentlichungen beschäftigten sich nun mit bilanzanalytischen Frühwarnsystemen zur Krisenerkennung. Schwerpunkt dieser Forschungsrichtung war es, allgemeingültige Ursachen für Unternehmensinsolvenzen herauszufinden. Mit Hilfe von computergestützten Systemen sollten kritische Unternehmensentwicklungen aus den Kennzahlen der Bilanz diagnostiziert werden, um so eine drohende Insolvenz rechtzeitig zu verhindern. In der folgenden Zeit beschränkte man sich nicht auf den Jahresabschluß als Instrument zur Krisenfrüherkennung, sondern bezog auch andere Aspekte der Unternehmensführung - wie beispielsweise die Organisation - in die Überlegungen ein. Ziel der Analysen war es, das Unternehmen wettbewerbsfähiger und krisenfester zu machen. Der Betriebswirt wurde einerseits zum Diagnostiker, der bestrebt ist, Krisen frühzeitig zu erkennen. Andererseits entwickelte er sich zum Therapeuten, der aktiv versucht, die Bedrohung für das "kranke" Unternehmen abzuwenden.

Betriebswirtschaftliche Krisenkommunikation:
Handeln ist Silber, Reden ist Gold

Mit dem Tankerunglück "Exxon Valdez" vor der Küste Alaskas (1989), den Störfällen in den Werken der Hoechst AG (1993) und insbesondere mit dem Krisenfall "Brent Spar" des Shell-Konzerns (1995) setzte erneut ein Wandel in der Erforschung der Krisenproblematik ein. In allen drei Krisenfällen führte unprofessionelle oder ganz fehlende Öffentlichkeitsarbeit zu dramatischen Imageverlusten, die auch in monetären Größen - wie Umsatz und Gewinn - ihren Niederschlag fanden. Fortan wurde von den Medien und der breiten Bevölkerung "unternehmerische Verantwortung" eingefordert. Das Verhalten der Unternehmen sollte nicht mehr nur legal, sondern auch legitim sein. Der frühzeitige, offene und glaubwürdige Dialog wurde im Rahmen der Unternehmenskommunikation zum Schlagwort erfolgreicher Krisen-PR.

Ausblick:
Virtuelle Krisen als neue Herausforderungen für die Betriebswirtschaftslehre

Auch in den späten 90er Jahren ist kein Ende der betriebswirtschaftlichen Krisenforschung abzusehen. Einerseits prognostizieren Wirtschaftsforschungsinstitute für den Jahrtausendwechsel ein dramatisches Ansteigen der Unternehmenszusammenbrüche, da viele Betriebe nur sehr unzureichend auf den Jahr-2000-Fehler vorbereitet sind. Andererseits heizt die (bisher) unkontrollierte Informationsverbreitung über das Internet die Gerüchteküche immer neu an. Gezielte Fehlinformationen durch Konkurrenten können Produkte der Wettbewerber vom Markt drängen und für die betroffenen Unternehmen schwere (virtuelle) Krisen auslösen. Die Betriebswirtschaftslehre steht somit vor einer doppelten Herausforderung: Zum einen müssen die Früherkennungsmechanismen auf das Internet ausgedehnt werden. Zum anderen gilt es, das Intra- und Internet in die Krisenkommunikation zu integrieren - ermöglichen doch beide eine unübertroffen schnelle und kostengünstige Ansprache vieler Teilöffentlichkeiten.

Autorin

Kirsten Schwinn
ehemalige Studentin in den Studiengängen "Diplom-Handelslehrer"
und "Betriebswirtschaftslehre" an der
Wirtschafts-und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
E-Mail: mail@kirstenschwinn.de

Erstveröffentlichung im Krisennavigator (ISSN 1619-2389):
2. Jahrgang (1999), Ausgabe 10 (Oktober)


Vervielfältigung und Verbreitung - auch auszugsweise - nur mit ausdrücklicher
schriftlicher Genehmigung des Krisennavigator - Institut für Krisenforschung, Kiel.
© Krisennavigator 1998-2024. Alle Rechte vorbehalten. ISSN 1619-2389.
Internet:
www.krisennavigator.de | E-Mail: poststelle@ifk-kiel.de

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Historischer Überblick über die
betriebswirtschaftliche Krisenforschung

von Kirsten Schwinn

Unternehmenskrisen: Ein Forschungsfeld mit Tradition

Krisen aller Art beschäftigen die Medien täglich. Auch die Wirtschaft liefert mit zahlreichen ökonomischen Krisen ihren Beitrag. Man denke nur an die "Werfen-Krise", die "Krise des Standorts Deutschland" oder die "Jahr-2000-Krise". Schon früh hat sich daher auch die Wissenschaft mit dem Thema "Unternehmenskrise" auseinandergesetzt. Bereits um die Jahrhundertwende gab es in der deutschsprachigen Betriebswirtschaftslehre erste Ansätze zur Behandlung von krisenspezifischen Fragestellungen. Vornehmlich handelte es sich hierbei um Arbeiten über die finanzielle Sanierung von Aktiengesellschaften.

Von der Weltwirtschaftskrise zur Ölkrise:
Sanierung und Insolvenz bestimmten die Forschungsdiskussion

Ihren ersten Höhepunkt erlebte die betriebswirtschaftliche Krisenforschung Anfang der 30er Jahre infolge der Weltwirtschaftskrise. Eine Vielzahl von Autoren beschäftigte sich aus aktuellem Anlaß mit Fragen zur Sanierung und Liquidation von Unternehmen. Außerdem wurde bereits zu diesem Zeitpunkt versucht, eine eigene Krisenlehre für die "notleidende" Unternehmung zu entwickeln.

Dennoch war es zu dieser Zeit überwiegend die Volkswirtschaftslehre, die sich mit dem Krisenbegriff befaßte. Im Mittelpunkt stand die Frage, was im Konjunkturverlauf getan werden kann, um trotz einer Depression die Ziele "Vollbeschäftigung", "Außenwirtschaftliches Gleichgewicht", "Angemessenes Wachstum" und "Preisstabilität" zu erreichen.

Als nach dem Zweiten Weltkrieg - insbesondere in den fünfziger und frühen sechziger Jahren - ein noch nie dargewesenes Wirtschaftswachstum eingesetzte, verlagerte sich das Forschungsinteresse der Wirtschaftswissenschaftler vorübergehend auf andere Themenschwerpunkte. Erst die Rezessionsjahre 1966/67 gaben der Betriebswirtschaftslehre wieder krisenorientierte Forschungsimpulse. Krisenantizipation und Krisenvermeidung standen fortan im Mittelpunkt der Überlegungen. Zunehmende strukturelle und konjunkturelle Probleme der Wirtschaft - insbesondere infolge der ersten Ölkrise 1973/74 - setzten in den siebziger Jahren eine breite Diskussion zu den Themen "Sanierung" und "Insolvenz" in Gang. Die Publikationen enthielten zumeist die auf Erfahrung beruhenden Befunde von Praktikern und beschränkten sich weitgehend auf eine Auflistung von Fallbeispielen. Eine theoretische Beschäftigung mit Fragen des Krisenmanagements kam erst langsam auf.

Betriebswirtschaftliches Krisenmanagement:
Die Abkehr von der "Schönwetterpolitik"

Insbesondere die zweite Ölkrise 1978/79 machte deutlich, daß die erste Ölkrise 1973/74 kein einmaliges Ereignis war. Eine vertiefende Auseinandersetzung mit Fragen des Krisenmanagements wurde unumgänglich. Die zunehmende Verbreitung der Datenverarbeitungstechnik sowie der dadurch initiierte Wandel von der klassischen Industriegesellschaft hin zur Informations- und Dienstleistungsgesellschaft zwangen die Unternehmen, immer schneller und umfassender auf sich verändernde Umweltbedingungen zu reagieren. Dieses erhöhte jedoch auch die Wahrscheinlichkeit für den Ausbruch einer Unternehmenskrise.

Für die betriebswirtschaftliche Forschung stand daher nicht mehr nur die Frage nach der Insolvenzvorhersage zum Schutz von Gläubigerinteressen im Mittelpunkt, sondern nun auch die Abwendung einer Unternehmenskrise insgesamt. In Anlehnung an die Sozialwissenschaften wurden drei verschiedene Forschungsansätze verfolgt:

Die betriebswirtschaftlichen Auseinandersetzungen mit Unternehmenskrisen waren von der Frage geleitet, ob eine Unternehmenskrise mit Führungsversagen gleichzusetzen ist. Aus diesem Grund beschäftigten sich die Veröffentlichungen vornehmlich mit der Organisation der Unternehmung und dem Führungsverhalten. Als "Meilenstein" kann die Tagung des Verbandes der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft gewertet werden, die im Jahre 1979 unter dem Thema "Unternehmenskrisen – Ursachen, Frühwarnung und Bewältigung" stand. Erstmals einigte man sich hier auf ein einheitliches Begriffsverständnis und entwickelte ein gemeinsames Forschungsprogramm.

Nachdem erkannt worden war, daß die Betriebswirtschaftslehre keine "Schönwetterpolitik" ist, nahmen die Publikationen zum Thema "Krisenmanagement" kontinuierlich zu. Die Akzente verschoben sich dabei jeweils mit der Wirtschaftslage.

Betriebswirtschaftliche Krisendiagnose:
Der Ökonom als Diagnostiker und Therapeut

In den achtziger Jahren wurde die Erforschung von Mißerfolgsursachen zum zentralen Anliegen der betriebswirtschaftlichen Krisenforschung. Anlaß hierfür gab die explosiv gestiegene Zahl von Insolvenzen. Sie erreichte Mitte der achtziger Jahre mit 109.962 Unternehmenszusammenbrüchen einen neuen Höchststand und lag damit mehr als doppelt so hoch wie noch Mitte der siebziger Jahre. Zahlreiche Veröffentlichungen beschäftigten sich nun mit bilanzanalytischen Frühwarnsystemen zur Krisenerkennung. Schwerpunkt dieser Forschungsrichtung war es, allgemeingültige Ursachen für Unternehmensinsolvenzen herauszufinden. Mit Hilfe von computergestützten Systemen sollten kritische Unternehmensentwicklungen aus den Kennzahlen der Bilanz diagnostiziert werden, um so eine drohende Insolvenz rechtzeitig zu verhindern. In der folgenden Zeit beschränkte man sich nicht auf den Jahresabschluß als Instrument zur Krisenfrüherkennung, sondern bezog auch andere Aspekte der Unternehmensführung - wie beispielsweise die Organisation - in die Überlegungen ein. Ziel der Analysen war es, das Unternehmen wettbewerbsfähiger und krisenfester zu machen. Der Betriebswirt wurde einerseits zum Diagnostiker, der bestrebt ist, Krisen frühzeitig zu erkennen. Andererseits entwickelte er sich zum Therapeuten, der aktiv versucht, die Bedrohung für das "kranke" Unternehmen abzuwenden.

Betriebswirtschaftliche Krisenkommunikation:
Handeln ist Silber, Reden ist Gold

Mit dem Tankerunglück "Exxon Valdez" vor der Küste Alaskas (1989), den Störfällen in den Werken der Hoechst AG (1993) und insbesondere mit dem Krisenfall "Brent Spar" des Shell-Konzerns (1995) setzte erneut ein Wandel in der Erforschung der Krisenproblematik ein. In allen drei Krisenfällen führte unprofessionelle oder ganz fehlende Öffentlichkeitsarbeit zu dramatischen Imageverlusten, die auch in monetären Größen - wie Umsatz und Gewinn - ihren Niederschlag fanden. Fortan wurde von den Medien und der breiten Bevölkerung "unternehmerische Verantwortung" eingefordert. Das Verhalten der Unternehmen sollte nicht mehr nur legal, sondern auch legitim sein. Der frühzeitige, offene und glaubwürdige Dialog wurde im Rahmen der Unternehmenskommunikation zum Schlagwort erfolgreicher Krisen-PR.

Ausblick:
Virtuelle Krisen als neue Herausforderungen für die Betriebswirtschaftslehre

Auch in den späten 90er Jahren ist kein Ende der betriebswirtschaftlichen Krisenforschung abzusehen. Einerseits prognostizieren Wirtschaftsforschungsinstitute für den Jahrtausendwechsel ein dramatisches Ansteigen der Unternehmenszusammenbrüche, da viele Betriebe nur sehr unzureichend auf den Jahr-2000-Fehler vorbereitet sind. Andererseits heizt die (bisher) unkontrollierte Informationsverbreitung über das Internet die Gerüchteküche immer neu an. Gezielte Fehlinformationen durch Konkurrenten können Produkte der Wettbewerber vom Markt drängen und für die betroffenen Unternehmen schwere (virtuelle) Krisen auslösen. Die Betriebswirtschaftslehre steht somit vor einer doppelten Herausforderung: Zum einen müssen die Früherkennungsmechanismen auf das Internet ausgedehnt werden. Zum anderen gilt es, das Intra- und Internet in die Krisenkommunikation zu integrieren - ermöglichen doch beide eine unübertroffen schnelle und kostengünstige Ansprache vieler Teilöffentlichkeiten.

Autorin

Kirsten Schwinn
ehemalige Studentin in den Studiengängen "Diplom-Handelslehrer"
und "Betriebswirtschaftslehre" an der
Wirtschafts-und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der
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Erstveröffentlichung im Krisennavigator (ISSN 1619-2389):
2. Jahrgang (1999), Ausgabe 10 (Oktober)

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Letzte Aktualisierung: Donnerstag, 25. April 2024

       

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