Ein Spin-Off der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.
27. Jahrgang (2024) - Ausgabe 4 (April) - ISSN 1619-2389
 

Haftungsrisiken bei Sanierungen

von Achim Thomas Thiele und Kai Peppmeier

Überblick

Wenn Unternehmen in die Krise geraten, bekommen auch die finanzierenden Banken Probleme. Sie stehen vor der Entscheidung, ob sie ihre Kredite sofort fällig stellen sollen oder ob es sich lohnt, das Unternehmen durch die Krise zu führen. Ein Sanierungskredit birgt für Banken und Sparkassen neben dem rein wirtschaftlichen Risiko des Ausfalls der Forderung erhebliche weitere Gefahren. Diese sollen in dem folgenden Beitrag aufgezeigt werden. Zugleich werden Lösungsansätze für ihre Vermeidung dargestellt.

Insolvenzverschleppung

Die zur Vertretung berechtigten Organe von Kapital- und Personengesellschaften haben im Falle der Zahlungsunfähigkeit die Pflicht, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. Das gilt auch für die Überschuldung, sofern es sich um eine Gesellschaft handelt, bei der keine natürliche Person persönlich haftender Gesellschafter ist. Kommen sie dieser Pflicht nicht nach, so machen sie sich nicht nur strafbar, sondern sind den Gläubigern der Gesellschaft auch zum Ersatz des entstehenden Schadens verpflichtet. Dieser besteht in der Regel darin, dass die Vermögenslage der Gesellschaft sich weiter verschlechtert und die Gläubiger ihre Forderungen in geringerem Umfang erfüllt bekommen, als wenn der Antrag rechtzeitig gestellt worden wäre. Gläubigern, denen nach Eintritt der Insolvenzantragspflicht erst Forderungen entstanden sind, ist der gesamte Ausfall ihrer Forderungen zu ersetzen.

Banken können als Anstifter oder Gehilfen gelten

Die gleichen Ersatzpflichten treffen auch den sogenannten faktischen Geschäftsführer, also denjenigen, dem das vertretungsberechtigte Organ der Gesellschaft die Geschäftsführung tatsächlich überlassen hat. Banken sind meist nicht als faktischer Geschäftsführer in diesem Sinne tätig. Doch können sie als Anstifter oder Gehilfen an der Insolvenzverschleppung beteiligt sein. In einem solchen Fall trifft sie gemäß Paragraph 830 II BGB die Pflicht zum Ersatz des entstandenen Schadens ebenso wie den Täter selbst. Dabei ist hervorzuheben, dass auch schon eine psychische Unterstützung des eigentlichen Täters von der Rechtsprechung als Beihilfe angesehen wird, so dass bereits ein relativ geringer Beitrag zur Insolvenzverschleppung Haftungsfolgen auslösen kann.

Allerdings ist dafür zumindest erforderlich, dass die Bank die Umstände der Konkursantragspflicht kannte und trotzdem durch ihre Handlungsweise die Schädigung von Gläubigern in Kauf genommen hat. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass die Anforderungen an diese Voraussetzungen nicht allzu hoch gesteckt werden.

Die Haftung aus Insolvenzverschleppung ist am ehesten zu vermeiden, wenn die Konkursgründe und damit die entsprechenden Konkursantragspflichten beseitigt werden. Dies sollte vor Beginn aller sonstigen Sanierungsmaßnahmen zunächst geschehen.

Die Zahlungsfähigkeit ist daher zunächst anhand eines detaillierten Liquiditätsplanes zu prüfen. Sollte sich dabei eine Unterdeckung ergeben, bieten sich einerseits Stundungsabreden, Verzichte und Vergleiche als Lösung an, andererseits kann durchaus auch die Gewährung eines neuen Kredits die Liquidität des Unternehmens ausreichend wiederherstellen.

Die Überschuldung ist anhand eines sogenannten Überschuldungsstatus zu prüfen. Dieser stellt ähnlich wie eine Bilanz sämtliche Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten der Gesellschaft gegenüber. Dabei kann von der Steuer- oder Handelsbilanz ausgegangen werden. Die darin enthaltenen stillen Reserven werden im Überschuldungsstatus aufgedeckt.

Entscheidend für die Wertansätze der Aktiva ist die Fortführungsprognose für das Unternehmen. Ist diese positiv, so dürfen sogenannte Fortführungswerte angesetzt werden, während andernfalls Liquidationswerte angenommen werden müssen. Zu beachten ist, dass auch wenn sich bei der Aufstellung des Überschuldungsstatus eine bilanzielle Überschuldung ergibt, durchaus Möglichkeiten zu deren Beseitigung durch die Vereinbarung von Rangrücktritten bestehen. Insofern sollten derartige Prüfungen und etwaige Maßnahmen immer durch einen Insolvenzspezialisten begleitet werden, um die gesetzlichen Spielräume auszunutzen.

Erst wenn feststeht, dass eine Insolvenzantragspflicht nicht oder nicht mehr besteht, sollte die Bank erwägen, einen Sanierungskredit zu gewähren.

Eigenkapital ersetzende Gesellschafterdarlehen

Das zweite Risiko, das bereits zu Beginn der Sanierung beachtet werden sollte, ist das der sogenannten eigenkapitalersetzenden Darlehen. So kann ein Gesellschafter, der der Gesellschaft in der Krise ein Darlehen gewährt oder ein gewährtes Darlehen stehen gelassen hat, in der Insolvenz die Rückzahlung des Darlehens nicht verlangen. Sicherheiten, die er zur Absicherung des Darlehensanspruches erhalten hat, darf er nicht verwerten. Hat der Gesellschafter seinerseits Sicherheiten zur Absicherung eines Gesellschafterdarlehens gestellt und werden diese in Anspruch genommen, so kann er in der Insolvenz den ihm eigentlich zustehenden Regressanspruch nicht geltend machen.

Diese gesetzlichen Regelungen können für Kreditinstitute in unterschiedlicher Weise zum Tragen kommen. Ist das Kreditinstitut selbst als Gesellschafter beteiligt, so greifen die gesetzlichen Bestimmungen unmittelbar. Das Kreditinstitut geht damit das Risiko ein, sämtliche Darlehen - also nicht nur die neuen - in der Insolvenz nicht geltend machen und auch gestellte Sicherheiten aus dem Vermögen der Firma nicht verwerten zu können. In derartigen Fällen ist das neu gewährte Darlehen daher mit besonderen Risiken verbunden.

Ausnahmen helfen, Sanierungen nicht im Keim zu ersticken

Allerdings hat der Gesetzgeber im vergangenen Jahr zwei Ausnahmen von den Regelungen eingeführt, um die Sanierungsbemühungen der Beteiligten nicht bereits im Keim zu ersticken. Danach gelten die vorstehenden Regelungen nicht für einen nicht geschäftsführenden Gesellschafter, der mit zehn Prozent oder weniger am Kapital der Gesellschaft beteiligt ist. Außerdem gelten die Kapitalersatzregeln - sowohl für bestehende als auch für neu gewährte Kredite - nicht, wenn ein Darlehensgeber zur Überwindung der Krise Geschäftsanteile an der Gesellschaft erwirbt.

Vorbeugen können Banken dem Risiko des Kapitalersatzes daher, wenn sie sich vor der Krise unmittelbar oder mittelbar mit maximal zehn Prozent an der Gesellschaft beteiligen und sich keinerlei amtliche oder faktische Geschäftsführung anmaßen.

Eigennütziger Sanierungskredit

Hinter dem Stichwort "eigennütziger Sanierungskredit" steckt der Gedanke, dass ein Kreditinstitut, das einem insolvenzreifen Unternehmen ein Darlehen gegen Sicherheitsleistung gewährt, möglicherweise dazu beiträgt, dass Dritte über die Kreditwürdigkeit des Unternehmens getäuscht werden und hierdurch einen Schaden erleiden. Nach gefestigter Rechtsprechung sind die von dem Kreditinstitut in diesem Zusammenhang abgeschlossenen Sicherungsverträge sittenwidrig und daher nichtig, sofern nicht zuvor eingehend die Sanierungsfähigkeit des Unternehmens überprüft wurde.

Wird ein konkreter Schaden durch den Gläubiger nachgewiesen, besteht sogar eine Schadenersatzpflicht des Kreditinstitutes gegenüber diesem Gläubiger aufgrund einer sittenwidrigen Schädigung. In der Vergangenheit wurde dieser Sachverhalt lediglich bei Überschuldung angewendet. Es ist nicht auszuschließen, dass in Zukunft auch bei Zahlungsunfähigkeit oder sogar drohender Zahlungsunfähigkeit Entsprechendes gilt.

Vermeidbar sind die Risiken des eigennützigen Sanierungskredites dadurch, dass vor Vergabe von Darlehen oder Krediten die Sanierungsfähigkeit eingehend überprüft wird. Dies sollte möglichst durch einen unabhängigen Dritten erfolgen. Das Prüfungsergebnis ist ausreichend zu dokumentieren. Am besten hierfür geeignet sind externe Sanierungsgutachten von Unternehmensberatern oder Wirtschaftsprüfern.

Ist das Unternehmen sanierungsfähig, sind allerdings noch nicht sämtliche Risiken in diesem Zusammenhang ausgeschlossen. Wird ein Sanierungskredit nämlich nicht mit der ernsthaften Sanierungsabsicht, sondern nur mit dem Ziel gewährt, den Zusammenbruch des Unternehmens hinauszuschieben und sich hierdurch Vorteile zu verschaffen, so enthält auch dieses Verhalten eine sittenwidrige Täuschung der anderen Gläubiger und führt zu den aufgezeigten Haftungsfolgen.

Übergangskredite müssen zeitlich eng befristet sein

Die Sanierung sollte außerdem durch intensive Kontrollen des Unternehmens seitens der Bank begleitet werden, bis die Gewinnschwelle wieder erreicht ist. Ausdrücklich zu betonen ist schließlich, dass der Sanierungskredit unbedingt zu unterscheiden ist vom Überbrückungskredit. Dieser wird dem Unternehmen in einer akuten Krise gewährt, damit es seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommen kann. Er soll die Zeitspanne zwischen dem Auftreten der Krise und dem Eintritt in die Sanierung überbrücken.

Da er meist spontan gewährt werden muss, kann die Sanierungsfähigkeit zu diesem Zeitpunkt noch nicht geklärt sein. In dem Kreditvertrag sollte bewusst eine kurze Laufzeit gewählt und zum Ausdruck gebracht werden, dass das Darlehen lediglich so lange zur Verfügung steht, bis die Frage der Sanierungsfähigkeit durch ein Gutachten geprüft ist.

Auch während der Sanierungsphase selbst können für Banken und Sparkassen neue Haftungsrisiken auftreten. Gemeinsam ist den folgenden Haftungskonstellationen dabei, dass der tatsächliche Einfluss des Kreditinstituts auf das jeweilige Unternehmen des Kreditnehmers zu weit geht.

Schuldnerknebelung

Als Schuldnerknebelung bezeichnet man ein Verhalten des Kreditgebers, das dazu führt, dass dem Unternehmen des Schuldners keinerlei wirtschaftlicher Bewegungsspielraum mehr verbleibt. Hierunter sind insbesondere Fälle zu fassen, in denen ein Mitarbeiter oder eine Vertrauensperson des Kreditinstitutes Geschäftsführer des Schuldnerunternehmens wird und auf Anweisung der Bank zu handeln hat. Ähnlich wie im Falle des eigennützigen Sanierungskredites löst ein derartiges Verhalten der Bank gegenüber Gläubigern eine Haftung wegen sittenwidriger Schädigung gemäß Paragraph 826 BGB aus und hat außerdem die Nichtigkeit sämtlicher Sicherheitenverträge zur Folge.

Eine Vorbeugung gegenüber diesen Risiken ist nur dadurch möglich, dass der jeweiligen Gesellschaft genügend unternehmerische Freiheit belassen wird. Insbesondere ist davor zu warnen, einen gegenüber den Gesellschaftern weisungsfreien Vertrauten der Bank als bestellten oder faktischen Geschäftsführer einzusetzen.

Qualifiziert faktische Konzernhaftung

Die qualifiziert faktische Konzernhaftung setzt zunächst das Bestehen eines Konzernverhältnisses voraus. Dieses wird gesetzlich widerlegbar vermutet, wenn ein mehrheitlich beteiligtes Unternehmen auf sein Tochterunternehmen unmittelbar oder mittelbar beherrschenden Einfluss ausübt. Besteht in einem solchen Fall ein Ergebnisabführungs- oder Beherrschungsvertrag, so ist das herrschende Unternehmen verpflichtet, dem beherrschten Unternehmen sämtliche Verluste zu ersetzen. Besteht ein solcher Vertrag nicht, so nimmt die Rechtsprechung eine Verlustausgleichspflicht an, wenn das herrschende Unternehmen seine Leitungsmacht missbräuchlich ausgeübt hat, und zwar in einem Umfang, der einen Einzelausgleich von Schädigungen ausschließt.

Grundsätzlich ist das Risiko einer Konzernhaftung für Kreditinstitute gering. Dennoch ist es nicht vollkommen ausgeschlossen. Insbesondere ist an solche Fälle zu denken, in denen ein Kreditinstitut einen Mitarbeiter oder eine mit ihr gesellschaftsrechtlich verbundene Unternehmensberatung als Interimsgeschäftsführung für das zu sanierende Unternehmen einsetzen lässt und dabei nicht genügend Rücksichten auf die Belange des Unternehmens nimmt.

Den Risiken der qualifiziert faktischen Konzernhaftung kann das Kreditinstitut vorbeugen, wenn es dem Unternehmen genügend Entscheidungsspielraum lässt und nicht Mitarbeiter des eigenen Hauses oder von Tochtergesellschaften als Interimsmanager in dem sanierungsbedürftigen Unternehmen einsetzt. Sofern dies geschehen oder unumgänglich ist, sollten sämtliche Entscheidungen der Geschäftsführung dokumentiert werden. Es ist darauf zu achten, dass die Berücksichtigung der Eigeninteressen des Unternehmens dargelegt wird. Zu denken ist insbesondere an die Frage von Kreditkonditionen, Konzernverrechnungspreisen und Finanzierungsentscheidungen.

Quelle

Dieser Beitrag wurde - mit freundlicher Genehmigung der Redaktion - der folgenden Publikation entnommen:

Achim Thomas Thiele / Kai Peppmeier,
Haftungsrisiken bei Sanierungen,
in: Bank Magazin, Jahrgang 1999,
Heft 9, Seite 42 bis 44

Autoren

Achim Thomas Thiele
Dr. Husemann, Eickhoff, Salmen & Partner GbR
Bronnerstraße 7
D-44141 Dortmund
Telefon: +49 (0)231 54 11 - 0
Telefax: +49 (0)231 54 11 - 220
E-Mail: huspardo@t-online.de

Kai Peppmeier
TMC Turnaround Management Consult GmbH
Heinrich-Hertz-Straße 2
D-44227 Dortmund
Telefon: +49 (0)231 97 51 82 - 0
Telefax: +49 (0)231 97 51 82 - 20
Internet: www.turnaround.de
E-Mail: info@turnaround.de 

Erstveröffentlichung im Krisennavigator (ISSN 1619-2389):
3. Jahrgang (2000), Ausgabe 10 (Oktober)


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Haftungsrisiken bei Sanierungen

von Achim Thomas Thiele und Kai Peppmeier

Überblick

Wenn Unternehmen in die Krise geraten, bekommen auch die finanzierenden Banken Probleme. Sie stehen vor der Entscheidung, ob sie ihre Kredite sofort fällig stellen sollen oder ob es sich lohnt, das Unternehmen durch die Krise zu führen. Ein Sanierungskredit birgt für Banken und Sparkassen neben dem rein wirtschaftlichen Risiko des Ausfalls der Forderung erhebliche weitere Gefahren. Diese sollen in dem folgenden Beitrag aufgezeigt werden. Zugleich werden Lösungsansätze für ihre Vermeidung dargestellt.

Insolvenzverschleppung

Die zur Vertretung berechtigten Organe von Kapital- und Personengesellschaften haben im Falle der Zahlungsunfähigkeit die Pflicht, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. Das gilt auch für die Überschuldung, sofern es sich um eine Gesellschaft handelt, bei der keine natürliche Person persönlich haftender Gesellschafter ist. Kommen sie dieser Pflicht nicht nach, so machen sie sich nicht nur strafbar, sondern sind den Gläubigern der Gesellschaft auch zum Ersatz des entstehenden Schadens verpflichtet. Dieser besteht in der Regel darin, dass die Vermögenslage der Gesellschaft sich weiter verschlechtert und die Gläubiger ihre Forderungen in geringerem Umfang erfüllt bekommen, als wenn der Antrag rechtzeitig gestellt worden wäre. Gläubigern, denen nach Eintritt der Insolvenzantragspflicht erst Forderungen entstanden sind, ist der gesamte Ausfall ihrer Forderungen zu ersetzen.

Banken können als Anstifter oder Gehilfen gelten

Die gleichen Ersatzpflichten treffen auch den sogenannten faktischen Geschäftsführer, also denjenigen, dem das vertretungsberechtigte Organ der Gesellschaft die Geschäftsführung tatsächlich überlassen hat. Banken sind meist nicht als faktischer Geschäftsführer in diesem Sinne tätig. Doch können sie als Anstifter oder Gehilfen an der Insolvenzverschleppung beteiligt sein. In einem solchen Fall trifft sie gemäß Paragraph 830 II BGB die Pflicht zum Ersatz des entstandenen Schadens ebenso wie den Täter selbst. Dabei ist hervorzuheben, dass auch schon eine psychische Unterstützung des eigentlichen Täters von der Rechtsprechung als Beihilfe angesehen wird, so dass bereits ein relativ geringer Beitrag zur Insolvenzverschleppung Haftungsfolgen auslösen kann.

Allerdings ist dafür zumindest erforderlich, dass die Bank die Umstände der Konkursantragspflicht kannte und trotzdem durch ihre Handlungsweise die Schädigung von Gläubigern in Kauf genommen hat. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass die Anforderungen an diese Voraussetzungen nicht allzu hoch gesteckt werden.

Die Haftung aus Insolvenzverschleppung ist am ehesten zu vermeiden, wenn die Konkursgründe und damit die entsprechenden Konkursantragspflichten beseitigt werden. Dies sollte vor Beginn aller sonstigen Sanierungsmaßnahmen zunächst geschehen.

Die Zahlungsfähigkeit ist daher zunächst anhand eines detaillierten Liquiditätsplanes zu prüfen. Sollte sich dabei eine Unterdeckung ergeben, bieten sich einerseits Stundungsabreden, Verzichte und Vergleiche als Lösung an, andererseits kann durchaus auch die Gewährung eines neuen Kredits die Liquidität des Unternehmens ausreichend wiederherstellen.

Die Überschuldung ist anhand eines sogenannten Überschuldungsstatus zu prüfen. Dieser stellt ähnlich wie eine Bilanz sämtliche Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten der Gesellschaft gegenüber. Dabei kann von der Steuer- oder Handelsbilanz ausgegangen werden. Die darin enthaltenen stillen Reserven werden im Überschuldungsstatus aufgedeckt.

Entscheidend für die Wertansätze der Aktiva ist die Fortführungsprognose für das Unternehmen. Ist diese positiv, so dürfen sogenannte Fortführungswerte angesetzt werden, während andernfalls Liquidationswerte angenommen werden müssen. Zu beachten ist, dass auch wenn sich bei der Aufstellung des Überschuldungsstatus eine bilanzielle Überschuldung ergibt, durchaus Möglichkeiten zu deren Beseitigung durch die Vereinbarung von Rangrücktritten bestehen. Insofern sollten derartige Prüfungen und etwaige Maßnahmen immer durch einen Insolvenzspezialisten begleitet werden, um die gesetzlichen Spielräume auszunutzen.

Erst wenn feststeht, dass eine Insolvenzantragspflicht nicht oder nicht mehr besteht, sollte die Bank erwägen, einen Sanierungskredit zu gewähren.

Eigenkapital ersetzende Gesellschafterdarlehen

Das zweite Risiko, das bereits zu Beginn der Sanierung beachtet werden sollte, ist das der sogenannten eigenkapitalersetzenden Darlehen. So kann ein Gesellschafter, der der Gesellschaft in der Krise ein Darlehen gewährt oder ein gewährtes Darlehen stehen gelassen hat, in der Insolvenz die Rückzahlung des Darlehens nicht verlangen. Sicherheiten, die er zur Absicherung des Darlehensanspruches erhalten hat, darf er nicht verwerten. Hat der Gesellschafter seinerseits Sicherheiten zur Absicherung eines Gesellschafterdarlehens gestellt und werden diese in Anspruch genommen, so kann er in der Insolvenz den ihm eigentlich zustehenden Regressanspruch nicht geltend machen.

Diese gesetzlichen Regelungen können für Kreditinstitute in unterschiedlicher Weise zum Tragen kommen. Ist das Kreditinstitut selbst als Gesellschafter beteiligt, so greifen die gesetzlichen Bestimmungen unmittelbar. Das Kreditinstitut geht damit das Risiko ein, sämtliche Darlehen - also nicht nur die neuen - in der Insolvenz nicht geltend machen und auch gestellte Sicherheiten aus dem Vermögen der Firma nicht verwerten zu können. In derartigen Fällen ist das neu gewährte Darlehen daher mit besonderen Risiken verbunden.

Ausnahmen helfen, Sanierungen nicht im Keim zu ersticken

Allerdings hat der Gesetzgeber im vergangenen Jahr zwei Ausnahmen von den Regelungen eingeführt, um die Sanierungsbemühungen der Beteiligten nicht bereits im Keim zu ersticken. Danach gelten die vorstehenden Regelungen nicht für einen nicht geschäftsführenden Gesellschafter, der mit zehn Prozent oder weniger am Kapital der Gesellschaft beteiligt ist. Außerdem gelten die Kapitalersatzregeln - sowohl für bestehende als auch für neu gewährte Kredite - nicht, wenn ein Darlehensgeber zur Überwindung der Krise Geschäftsanteile an der Gesellschaft erwirbt.

Vorbeugen können Banken dem Risiko des Kapitalersatzes daher, wenn sie sich vor der Krise unmittelbar oder mittelbar mit maximal zehn Prozent an der Gesellschaft beteiligen und sich keinerlei amtliche oder faktische Geschäftsführung anmaßen.

Eigennütziger Sanierungskredit

Hinter dem Stichwort "eigennütziger Sanierungskredit" steckt der Gedanke, dass ein Kreditinstitut, das einem insolvenzreifen Unternehmen ein Darlehen gegen Sicherheitsleistung gewährt, möglicherweise dazu beiträgt, dass Dritte über die Kreditwürdigkeit des Unternehmens getäuscht werden und hierdurch einen Schaden erleiden. Nach gefestigter Rechtsprechung sind die von dem Kreditinstitut in diesem Zusammenhang abgeschlossenen Sicherungsverträge sittenwidrig und daher nichtig, sofern nicht zuvor eingehend die Sanierungsfähigkeit des Unternehmens überprüft wurde.

Wird ein konkreter Schaden durch den Gläubiger nachgewiesen, besteht sogar eine Schadenersatzpflicht des Kreditinstitutes gegenüber diesem Gläubiger aufgrund einer sittenwidrigen Schädigung. In der Vergangenheit wurde dieser Sachverhalt lediglich bei Überschuldung angewendet. Es ist nicht auszuschließen, dass in Zukunft auch bei Zahlungsunfähigkeit oder sogar drohender Zahlungsunfähigkeit Entsprechendes gilt.

Vermeidbar sind die Risiken des eigennützigen Sanierungskredites dadurch, dass vor Vergabe von Darlehen oder Krediten die Sanierungsfähigkeit eingehend überprüft wird. Dies sollte möglichst durch einen unabhängigen Dritten erfolgen. Das Prüfungsergebnis ist ausreichend zu dokumentieren. Am besten hierfür geeignet sind externe Sanierungsgutachten von Unternehmensberatern oder Wirtschaftsprüfern.

Ist das Unternehmen sanierungsfähig, sind allerdings noch nicht sämtliche Risiken in diesem Zusammenhang ausgeschlossen. Wird ein Sanierungskredit nämlich nicht mit der ernsthaften Sanierungsabsicht, sondern nur mit dem Ziel gewährt, den Zusammenbruch des Unternehmens hinauszuschieben und sich hierdurch Vorteile zu verschaffen, so enthält auch dieses Verhalten eine sittenwidrige Täuschung der anderen Gläubiger und führt zu den aufgezeigten Haftungsfolgen.

Übergangskredite müssen zeitlich eng befristet sein

Die Sanierung sollte außerdem durch intensive Kontrollen des Unternehmens seitens der Bank begleitet werden, bis die Gewinnschwelle wieder erreicht ist. Ausdrücklich zu betonen ist schließlich, dass der Sanierungskredit unbedingt zu unterscheiden ist vom Überbrückungskredit. Dieser wird dem Unternehmen in einer akuten Krise gewährt, damit es seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommen kann. Er soll die Zeitspanne zwischen dem Auftreten der Krise und dem Eintritt in die Sanierung überbrücken.

Da er meist spontan gewährt werden muss, kann die Sanierungsfähigkeit zu diesem Zeitpunkt noch nicht geklärt sein. In dem Kreditvertrag sollte bewusst eine kurze Laufzeit gewählt und zum Ausdruck gebracht werden, dass das Darlehen lediglich so lange zur Verfügung steht, bis die Frage der Sanierungsfähigkeit durch ein Gutachten geprüft ist.

Auch während der Sanierungsphase selbst können für Banken und Sparkassen neue Haftungsrisiken auftreten. Gemeinsam ist den folgenden Haftungskonstellationen dabei, dass der tatsächliche Einfluss des Kreditinstituts auf das jeweilige Unternehmen des Kreditnehmers zu weit geht.

Schuldnerknebelung

Als Schuldnerknebelung bezeichnet man ein Verhalten des Kreditgebers, das dazu führt, dass dem Unternehmen des Schuldners keinerlei wirtschaftlicher Bewegungsspielraum mehr verbleibt. Hierunter sind insbesondere Fälle zu fassen, in denen ein Mitarbeiter oder eine Vertrauensperson des Kreditinstitutes Geschäftsführer des Schuldnerunternehmens wird und auf Anweisung der Bank zu handeln hat. Ähnlich wie im Falle des eigennützigen Sanierungskredites löst ein derartiges Verhalten der Bank gegenüber Gläubigern eine Haftung wegen sittenwidriger Schädigung gemäß Paragraph 826 BGB aus und hat außerdem die Nichtigkeit sämtlicher Sicherheitenverträge zur Folge.

Eine Vorbeugung gegenüber diesen Risiken ist nur dadurch möglich, dass der jeweiligen Gesellschaft genügend unternehmerische Freiheit belassen wird. Insbesondere ist davor zu warnen, einen gegenüber den Gesellschaftern weisungsfreien Vertrauten der Bank als bestellten oder faktischen Geschäftsführer einzusetzen.

Qualifiziert faktische Konzernhaftung

Die qualifiziert faktische Konzernhaftung setzt zunächst das Bestehen eines Konzernverhältnisses voraus. Dieses wird gesetzlich widerlegbar vermutet, wenn ein mehrheitlich beteiligtes Unternehmen auf sein Tochterunternehmen unmittelbar oder mittelbar beherrschenden Einfluss ausübt. Besteht in einem solchen Fall ein Ergebnisabführungs- oder Beherrschungsvertrag, so ist das herrschende Unternehmen verpflichtet, dem beherrschten Unternehmen sämtliche Verluste zu ersetzen. Besteht ein solcher Vertrag nicht, so nimmt die Rechtsprechung eine Verlustausgleichspflicht an, wenn das herrschende Unternehmen seine Leitungsmacht missbräuchlich ausgeübt hat, und zwar in einem Umfang, der einen Einzelausgleich von Schädigungen ausschließt.

Grundsätzlich ist das Risiko einer Konzernhaftung für Kreditinstitute gering. Dennoch ist es nicht vollkommen ausgeschlossen. Insbesondere ist an solche Fälle zu denken, in denen ein Kreditinstitut einen Mitarbeiter oder eine mit ihr gesellschaftsrechtlich verbundene Unternehmensberatung als Interimsgeschäftsführung für das zu sanierende Unternehmen einsetzen lässt und dabei nicht genügend Rücksichten auf die Belange des Unternehmens nimmt.

Den Risiken der qualifiziert faktischen Konzernhaftung kann das Kreditinstitut vorbeugen, wenn es dem Unternehmen genügend Entscheidungsspielraum lässt und nicht Mitarbeiter des eigenen Hauses oder von Tochtergesellschaften als Interimsmanager in dem sanierungsbedürftigen Unternehmen einsetzt. Sofern dies geschehen oder unumgänglich ist, sollten sämtliche Entscheidungen der Geschäftsführung dokumentiert werden. Es ist darauf zu achten, dass die Berücksichtigung der Eigeninteressen des Unternehmens dargelegt wird. Zu denken ist insbesondere an die Frage von Kreditkonditionen, Konzernverrechnungspreisen und Finanzierungsentscheidungen.

Quelle

Dieser Beitrag wurde - mit freundlicher Genehmigung der Redaktion - der folgenden Publikation entnommen:

Achim Thomas Thiele / Kai Peppmeier,
Haftungsrisiken bei Sanierungen,
in: Bank Magazin, Jahrgang 1999,
Heft 9, Seite 42 bis 44

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Letzte Aktualisierung: Mittwoch, 24. April 2024

       

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