Ein Spin-Off der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.
27. Jahrgang (2024) - Ausgabe 4 (April) - ISSN 1619-2389
 

Finanzsanierung als Weg aus der
Liquiditätskrise im sächsischen Mittelstand

von Klaus D. Bobisch

Eigenkapitallücke im ostdeutschen Mittelstand

Viele Unternehmen in den neuen Bundesländern mussten bei ihrer Gründung kräftig in Grundstücke, Gebäude, Anlagen und Maschinen investieren. Aus Mangel an eigenen finanziellen Mitteln waren sie dabei auf massive Unterstützung durch die Deutsche Ausgleichsbank (DtA), zusätzliche Darlehen der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), stille Beteiligungen der Mittelständischen Beteiligungsgesellschaften (MBG) und Hausbankdarlehen angewiesen.

Diese eigenkapitalergänzenden Darlehen haben im Regelfall eine Laufzeit von 20 Jahren, sind für zehn Jahre tilgungsfrei gestellt und werden ab dem dritten Jahr mit steigenden Sätzen verzinst. Daneben haben viele Unternehmen noch Umstrukturierungsbeihilfen, Liquiditätshilfedarlehen und Kontokorrentkreditlinien zu bedienen. Dieser "Finanzierungscocktail" ist nun für viele Unternehmen zu einem explosiven Gemisch geworden.

Kapitaldienstfalle und Gewinnschwäche

Die chronische Eigenkapitalschwäche vieler ostdeutscher Unternehmen resultiert aus der Transformation von der Planwirtschaft zur Marktwirtschaft. Sie wurde in den meisten Unternehmen durch Fremdkapital aufgefüllt - mit fatalen Folgen: Viele Betriebe sind bilanziell überschuldet und erzielen im Durchschnitt viel zu geringe oder gar keine Gewinne, um im Wettbewerb bestehen zu können oder den Kapitaldienst zu leisten. Ersatz- und Neuinvestitionen werden häufig nicht mehr getätigt. Die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen lässt immer mehr nach. Aufträge und Arbeitsplätze gehen verloren.

Diese fatale Kombination von Gewinnschwäche einerseits und mangelnder Eigenkapitalausstattung andererseits verhindert eine Selbstheilung der Betriebe und ist zugleich eine der Hauptursachen für die zunehmenden Firmenpleiten in Ostdeutschland. Um die Insolvenzgefahr abzuwenden, ist eine Beseitigung der bilanziellen Überschuldung der Unternehmen allein nicht ausreichend. Zusätzlich muss der Kapitaldienst auf ein unternehmensverträgliches Niveau reduziert werden, denn der derzeitige Zinsaufwand liegt vielfach jenseits realistischer Grenzen.

Finanzsanierung als Ausweg

Wenn die leistungswirtschaftlichen Bereiche des Unternehmens halbwegs gesund sind, ermöglicht die sogenannte "Finanzsanierung" einen Ausweg aus diesem Dilemma. Ziel ist es dabei, die Kapitaldienstfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens wiederherzustellen. Damit sollen die Betriebe ihre Ertragskraft wiedererlangen und ihre fälligen Verbindlichkeiten vertragsgemäß bedienen können.

Wer hat den Kapitalschnitt zu tragen?

  • Die Banken - und insbesondere die Sparkassen - haben in den vergangenen Jahren nach Kreditausfällen immense Wertberichtigungen vornehmen müssen. Von ihnen sind folglich keine Beiträge zu erwarten. Sie sollten sich daher auf solche Sanierungsmaßnahmen konzentrieren, die der eigenen Kreditsicherung dienen - wie beispielsweise Zins- und Tilgungsaussetzungen, Umschuldungen und auftragsbezogene Vorfinanzierungen von Forderungen.
  • In die Pflicht genommen werden sollten vielmehr öffentliche Banken. Zur Wiederherstellung der Kapitaldienstfähigkeit müssen die Beteiligungsgesellschaften auf bis zu 50 Prozent und die Deutsche Ausgleichsbank auf bis zu 90 Prozent ihrer Forderungen verzichten. Auch bei den anderen öffentlichen Darlehen ist eine erfolgreiche Finanzsanierung nur mit einem weiteren Verzicht möglich, der bis zu 50 Prozent der Restforderung betragen kann.
  • Mit diesem Mix aus Beiträgen lassen sich viele Unternehmen kurzfristig und sehr pragmatisch wieder kapitaldienstfähig und wettbewerbsfähig machen. Dazu bedarf es noch nicht einmal neuer Gesetze oder Förderprogramme. Die Finanzsanierung kann vielmehr von einem erfahrenen Sanierungsberater in Zusammenarbeit mit Banken, Sparkassen und öffentlichen Gläubigerbanken realisiert werden.

Welche Unternehmen sind finanzsanierungsfähig?

  • Damit eine erfolgversprechende Finanzsanierung begonnen werden kann, sollte das betroffene Unternehmen die folgenden Bedingungen erfüllen: Es besteht seit mindestens drei Jahren und hat seinen Sitz in Ostdeutschland. Der Unternehmer hat eigenkapitalergänzende Darlehen erhalten und ist stille Beteiligungen eingegangen. Bilanzielle Überschuldungen wurden in der Vergangenheit durch Rangrücktritte kompensiert. Der Restwert der Gesamtverschuldung beträgt noch mehr als 2,5 Millionen Euro und der Zinsaufwand - bezogen auf den Rohertrag I - mehr als 10 Prozent.

Wie läuft der Prozess einer Finanzsanierung ab?

  • Zunächst überprüft ein sanierungserfahrenes Beratungsunternehmen, ob der betreffende Betrieb überhaupt finanzsanierungsfähig ist. Anschließend wird die Hausbank in einem offenen Gespräch von der Finanzsanierung überzeugt und aktiv darin eingebunden. Auf Basis der Beiträge der Hausbank wird eine generelle Zins- und Tilgungsaussetzung bei allen Bankengläubigern beantragt. Schließlich diskutieren die Beteiligten in einem offenen Diskurs das erarbeitete Konzept zur Finanzsanierung und beschließen einvernehmlich die notwendigen Sanierungsmaßnahmen. Dieser Prozess dauert im Regelfall zwischen zwei und vier Monaten.

Insgesamt ist die Finanzsanierung ein lohnenswerter Weg, um den betrieblichen Bestand in Ostdeutschland zu erhalten und diesen schrittweise auszubauen. Mit einem solchen Kapitalschnitt lassen sich viele Unternehmen in den neuen Bundesländern nachhaltig retten. Nach unserer Erfahrung ist die Finanzsanierung für alle Beteiligten billiger, einfacher und wirkungsvoller als viele andere in der Diskussion befindlichen Maßnahmen, denn mittel- und langfristig gibt es dabei (fast) keine Verlierer.

Autor

Klaus D. Bobisch
Netz-Werk Markterfolg KG
Archivstraße 21
D-01097 Dresden
Telefon: +49 (0) 351 / 858 88 38
Telefax: +49 (0) 351 / 858 88 39
Internet: www.netz-werk-kg.com
E-Mail: bobisch@netz-werk-kg.com

Erstveröffentlichung im Krisennavigator (ISSN 1619-2389):
5. Jahrgang (2002), Ausgabe 12 (Dezember)


Vervielfältigung und Verbreitung - auch auszugsweise - nur mit ausdrücklicher
schriftlicher Genehmigung des Krisennavigator - Institut für Krisenforschung, Kiel.
© Krisennavigator 1998-2024. Alle Rechte vorbehalten. ISSN 1619-2389.
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Liquiditätskrise im sächsischen Mittelstand

von Klaus D. Bobisch

Eigenkapitallücke im ostdeutschen Mittelstand

Viele Unternehmen in den neuen Bundesländern mussten bei ihrer Gründung kräftig in Grundstücke, Gebäude, Anlagen und Maschinen investieren. Aus Mangel an eigenen finanziellen Mitteln waren sie dabei auf massive Unterstützung durch die Deutsche Ausgleichsbank (DtA), zusätzliche Darlehen der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), stille Beteiligungen der Mittelständischen Beteiligungsgesellschaften (MBG) und Hausbankdarlehen angewiesen.

Diese eigenkapitalergänzenden Darlehen haben im Regelfall eine Laufzeit von 20 Jahren, sind für zehn Jahre tilgungsfrei gestellt und werden ab dem dritten Jahr mit steigenden Sätzen verzinst. Daneben haben viele Unternehmen noch Umstrukturierungsbeihilfen, Liquiditätshilfedarlehen und Kontokorrentkreditlinien zu bedienen. Dieser "Finanzierungscocktail" ist nun für viele Unternehmen zu einem explosiven Gemisch geworden.

Kapitaldienstfalle und Gewinnschwäche

Die chronische Eigenkapitalschwäche vieler ostdeutscher Unternehmen resultiert aus der Transformation von der Planwirtschaft zur Marktwirtschaft. Sie wurde in den meisten Unternehmen durch Fremdkapital aufgefüllt - mit fatalen Folgen: Viele Betriebe sind bilanziell überschuldet und erzielen im Durchschnitt viel zu geringe oder gar keine Gewinne, um im Wettbewerb bestehen zu können oder den Kapitaldienst zu leisten. Ersatz- und Neuinvestitionen werden häufig nicht mehr getätigt. Die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen lässt immer mehr nach. Aufträge und Arbeitsplätze gehen verloren.

Diese fatale Kombination von Gewinnschwäche einerseits und mangelnder Eigenkapitalausstattung andererseits verhindert eine Selbstheilung der Betriebe und ist zugleich eine der Hauptursachen für die zunehmenden Firmenpleiten in Ostdeutschland. Um die Insolvenzgefahr abzuwenden, ist eine Beseitigung der bilanziellen Überschuldung der Unternehmen allein nicht ausreichend. Zusätzlich muss der Kapitaldienst auf ein unternehmensverträgliches Niveau reduziert werden, denn der derzeitige Zinsaufwand liegt vielfach jenseits realistischer Grenzen.

Finanzsanierung als Ausweg

Wenn die leistungswirtschaftlichen Bereiche des Unternehmens halbwegs gesund sind, ermöglicht die sogenannte "Finanzsanierung" einen Ausweg aus diesem Dilemma. Ziel ist es dabei, die Kapitaldienstfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens wiederherzustellen. Damit sollen die Betriebe ihre Ertragskraft wiedererlangen und ihre fälligen Verbindlichkeiten vertragsgemäß bedienen können.

Wer hat den Kapitalschnitt zu tragen?

Welche Unternehmen sind finanzsanierungsfähig?

Wie läuft der Prozess einer Finanzsanierung ab?

Insgesamt ist die Finanzsanierung ein lohnenswerter Weg, um den betrieblichen Bestand in Ostdeutschland zu erhalten und diesen schrittweise auszubauen. Mit einem solchen Kapitalschnitt lassen sich viele Unternehmen in den neuen Bundesländern nachhaltig retten. Nach unserer Erfahrung ist die Finanzsanierung für alle Beteiligten billiger, einfacher und wirkungsvoller als viele andere in der Diskussion befindlichen Maßnahmen, denn mittel- und langfristig gibt es dabei (fast) keine Verlierer.

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