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19. April 2024

Insolvenzverwalter - Scharfe Kritik am BFH-Urteil zum Fiskusprivileg

Berlin - Im Dezember 2010 hatte der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass Umsatzsteuerverbindlichkeiten insolventer Unternehmen als so genannte Masseverbindlichkeiten zu behandeln sind. Damit müssen diese vorrangig und in vollem Umfang an den Fiskus gezahlt werden. Das Nachsehen haben andere ungesicherte Gläubiger, die von ihren Forderungen nur eine Quote erhalten - und das oft erst nach Jahren. Hiergegen richtet sich ein offener Brief dreier Insolvenzrechtsverbände an die Bundesjustizministerin. Die Unterzeichner warnen vor den dramatischen Folgen des Urteils. Danach fließe künftig erhebliche Liquidität aus der Insolvenzmasse ab - zulasten der übrigen Gläubiger und des insolventen Unternehmens.

Nach Ansicht des Verbandes der Insolvenzverwalter Deutschlands (VID), des Gravenbrucher Kreises und der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht und Sanierung im Deutschen Anwaltsverein sei die Entscheidung des Bundesfinanzhofs (Urteil vom 09. Dezember 2010, V R 22/10) ein Schlag in das Gesicht einer sanierungsorientierten Insolvenzverwaltung. Die Rettung von Arbeitsplätzen werde dadurch erheblich erschwert. An sich sanierungsfähigen Unternehmen drohe die Liquidierung, weil kein Geld mehr für die Sanierung vorhanden ist. Außerdem breche das Urteil mit dem Gedanken der Gläubigergleichbehandlung der Insolvenzordnung.

Zum Beleg verweist der VID auf eine im Oktober 2010 durchgeführte Befragung unter seinen Mitgliedern. Danach wäre nach Einführung eines solchen Fiskusprivilegs bei 62 Prozent der untersuchten 1.020 Insolvenzverfahren für die ungesicherten Gläubiger überhaupt kein Geld mehr übrig geblieben. Die durchschnittliche Quote würde von bisher 11,36 Prozent um fast die Hälfte auf 6,43 Prozent sinken. Eine Vielzahl der Insolvenzverfahren müsste wegen Masselosigkeit eingestellt werden. Auf der Gläubigerseite wären vor allem gesunde Unternehmen die Leidtragenden - etwa mittelständische Handwerker, Dienstleister und Lieferanten.

Die Unterzeichner des offenen Briefs appellieren daher an den Gesetzgeber, die drohenden Gefahren durch geeignete Regelungen abzuwenden. Das Urteil stelle eine radikale Abkehr vom tragenden Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung in der Insolvenzordnung dar und dürfe daher aus Sicht der Insolvenzrechtspraxis keinen Bestand haben. Nicht zuletzt werden dadurch auch die aktuellen Bemühungen des Gesetzgebers torpediert, durch eine Einführung des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) die Fortführung Not leidender Unternehmen zu fördern.

© 2011 Krisennavigator. Alle Rechte vorbehalten.
Stand der Informationen: 21. April 2011.

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