Ein Spin-Off der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.
27. Jahrgang (2024) - Ausgabe 4 (April) - ISSN 1619-2389
 
 KRISENMAGAZIN
   Zeitschrift für Krisenmanagement,
   Krisenkommunikation und Krisentraining
   ISSN 1867-7541
   www.krisenmagazin.de

"In einem polarisierenden Diskurs ist es unser Anspruch, zentrale Informationsquelle zu sein"

Nürnberg - Im Jahr 2016 hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Nürnberg über 745.000 Asylanträge entgegengenommen - fast 269.000 mehr als im Vorjahr. Parallel zum rasanten Aufgabenwachstum wurden in den zurückliegenden beiden Jahren über 7.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter neu eingestellt. Die Herkules-Aufgabe der Kommunikation der Bundesbehörde verantwortet seit knapp einem Jahr Andrea Brinkmann. Die Pressesprecherin und Leiterin der Pressestelle des BAMF gewährt im Rahmen des Krisenkommunikationsgipfel 2017 in Leipzig spannende Einblicke in ihre Arbeit.

Krisenmagazin: Im Bund und in den Ländern äußern sich zahlreiche Einrichtungen zu Fragen von Asyl, Migration und Flüchtlingen - von Peter Altmaier als Flüchtlingskoordinator der Bundesregierung, über 16 Innenministerien bis hin zur Bundespolizei. Wie stellen Sie angesichts dieser Stimmenvielfalt sicher, dass möglichst widerspruchsfreie Aussagen zur Migrations- und Flüchtlingsthematik an die Öffentlichkeit gelangen?

Andrea Brinkmann: Eine besondere Stärke, die unser Land im Umgang mit den hohen Zugangszahlen von schutzsuchenden Menschen unter Beweis stellt, ist die Kultur der Kooperation. Nie haben Bund und Länder intensiver zusammengearbeitet. Das geht nicht immer reibungslos. Aus dieser Art der Herausforderung ergibt sich zwangsläufig eine perspektivische und stimmliche Vielfalt. Das ist auch gut so. Das Bundesamt ist für das Asylverfahren zuständig, die Länder für Unterbringung und Versorgung, die Bundespolizei für die grenznahe Registrierung usw.

Kommunikativ geht es gleichermaßen darum, den gemeinsamen Weg und die unterschiedlichen Beiträge der einzelnen Akteure transparent zu machen. Das erfordert ein gutes Netzwerk, intensive Gespräche und damit das Vertrauen, sich bei kritischen Anfragen auch einmal gegenseitig zu informieren. Für Aspekte, die das originäre Aufgabenspektrum des BAMF betreffen, sind die Wege zum Bundesministerium des Innern und zum Kanzleramt natürlich kurz – ob Pressearbeit, politische Kommunikation oder Social Media. Durch unsere Außenstellen und Ankunftszentren sind wir zudem bundesweit in der Fläche präsent. Die Leiter vor Ort unterstützen wir mit stetig aktualisierten Fragen und Antworten zu aktuellen Themen und eine Vielzahl der regionalen Medientermine findet gemeinsam mit den Partnern des Landes, der Städte und Kommunen statt. Alle unter einem Dach heißt es bei uns vor Ort, wie auch in der Kommunikation.

Krisenmagazin: Gerade zu Beginn der sogenannten "Flüchtlingskrise" hat Ihre Behörde viel Kritik einstecken müssen. Mittlerweile haben Sie Ihre Prozesse erfolgreich stabilisiert. Sehen Sie sich in der medialen Darstellung nun adäquat wahrgenommen?

Andrea Brinkmann: Der Herbst 2015 war sicherlich auch eine Art kommunikative Ausnahmesituation. Aufgabe des Bundesamts war bekanntlich, Ordnung in das Asylverfahren zu bringen. Dieses Ziel haben wir gemeinsam mit unseren Partnern erreicht und sehr intensiv kommunikativ begleitet. Im Ergebnis waren wir 2016 in der Lage, 700.000 Asylverfahren zu entscheiden. Das sind fünf Mal so viele wie noch 2014. Menschen, die jetzt in Deutschland um Schutz ersuchen, erhalten mittlerweile innerhalb von wenigen Wochen bis hin zu drei Monaten Gewissheit über ihre Bleibeperspektive. Die Prozesse sind stabil.

Dennoch, das mediale Interesse bleibt auf einem konstant hohen Niveau. Verstärkt durch den Bereich Integration und auch Rückkehr. Wir sprechen hier alleine von 30 bis 70 Presseanfragen pro Tag, die komplexe Antworten erfordern. Mein Team und ich nehmen diese Aufgabe sehr ernst, beantworten gründlich und schnell. Das schafft Vertrauen. Gleichzeitig öffnen wir unsere Türen, laden ein in die Zentrale, in die bundesweiten Ankunftszentren, in unsere Außenstellen. Mittlerweile sind wir Vorreiter was die Digitalisierung angeht.

Als Pressestelle zeigen wir, wie unsere Mitarbeiter arbeiten und wie das BAMF mit den auch nach wie vor großen Herausforderungen umgeht. Offen und transparent. Wir sehen, dass unsere Fortschritte wahrgenommen werden. Dennoch ist Reputationsmanagement immer langfristig angelegt. Den proaktiven Ansatz werden wir daher konsequent weiterverfolgen.

Krisenmagazin: Die Themen "Asyl", "Migration" und "Flüchtlingspolitik" sind in Deutschland nicht unumstritten. Im Gegenteil: Das Thema ist in hohem Maße politisch und emotional aufgeladen. Mit welchen Maßnahmen streben Sie eine Versachlichung der Debatte an?

Andrea Brinkmann: In einem polarisierenden Diskurs ist es unser Anspruch, als Bundesamt zentrale Informationsquelle zu sein. Wir haben es mit einem gesamtgesellschaftlich relevanten Thema zu tun. Wenn die Menschen verstehen sollen, was das Bundesamt macht, müssen wir uns und die komplexen Zusammenhänge, in denen wir uns bewegen, erklären – und zwar bundesweit wie regional. Das setzt ein großes Maß an Weitblick und Handlungsschnelligkeit voraus. Wir müssen die Informationsbedürfnisse genau kennen, in sehr kurzer Zeit sprachfähig und mit unseren Experten ad hoc medial präsent sein können - und zwar mit O-Tönen, Hintergrundgesprächen, Statements oder Interviews.

Dabei ist die Materie vielschichtig, ein Beispiel: Ein Asylverfahren dauert heute von der Antragstellung bis zum Bescheid im Durchschnitt drei Monate. Dass im vergangenen Jahr die durchschnittliche Bearbeitungsdauer noch mehr als doppelt so lang war, liegt am konsequenten Abbau der komplexen Altfälle. Ein Fall aus dem Jahr 2015, der heute erst bearbeitet wird, schlägt sich also mit 15 bis 18 Monaten Bearbeitungszeit in der Statistik nieder und treibt diese hoch. Hier gilt es, schnell die faktische Grundlage einer differenzierten Wahrnehmung zur Verfügung zu stellen. Flankiert werden die Maßnahmen der Pressearbeit natürlich auch durch unser Social Media-Team, die Kollegen aus der politischen Kommunikation und durch unseren Bürgerservice. Wir sind hier auf einem guten Weg.

© 2017 Krisennavigator. Alle Rechte vorbehalten.
Stand der Informationen: 28. Februar 2017.


Vervielfältigung und Verbreitung - auch auszugsweise - nur mit ausdrücklicher
schriftlicher Genehmigung des Krisennavigator - Institut für Krisenforschung, Kiel.
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Nürnberg - Im Jahr 2016 hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Nürnberg über 745.000 Asylanträge entgegengenommen - fast 269.000 mehr als im Vorjahr. Parallel zum rasanten Aufgabenwachstum wurden in den zurückliegenden beiden Jahren über 7.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter neu eingestellt. Die Herkules-Aufgabe der Kommunikation der Bundesbehörde verantwortet seit knapp einem Jahr Andrea Brinkmann. Die Pressesprecherin und Leiterin der Pressestelle des BAMF gewährt im Rahmen des Krisenkommunikationsgipfel 2017 in Leipzig spannende Einblicke in ihre Arbeit.

Krisenmagazin: Im Bund und in den Ländern äußern sich zahlreiche Einrichtungen zu Fragen von Asyl, Migration und Flüchtlingen - von Peter Altmaier als Flüchtlingskoordinator der Bundesregierung, über 16 Innenministerien bis hin zur Bundespolizei. Wie stellen Sie angesichts dieser Stimmenvielfalt sicher, dass möglichst widerspruchsfreie Aussagen zur Migrations- und Flüchtlingsthematik an die Öffentlichkeit gelangen?

Andrea Brinkmann: Eine besondere Stärke, die unser Land im Umgang mit den hohen Zugangszahlen von schutzsuchenden Menschen unter Beweis stellt, ist die Kultur der Kooperation. Nie haben Bund und Länder intensiver zusammengearbeitet. Das geht nicht immer reibungslos. Aus dieser Art der Herausforderung ergibt sich zwangsläufig eine perspektivische und stimmliche Vielfalt. Das ist auch gut so. Das Bundesamt ist für das Asylverfahren zuständig, die Länder für Unterbringung und Versorgung, die Bundespolizei für die grenznahe Registrierung usw.

Kommunikativ geht es gleichermaßen darum, den gemeinsamen Weg und die unterschiedlichen Beiträge der einzelnen Akteure transparent zu machen. Das erfordert ein gutes Netzwerk, intensive Gespräche und damit das Vertrauen, sich bei kritischen Anfragen auch einmal gegenseitig zu informieren. Für Aspekte, die das originäre Aufgabenspektrum des BAMF betreffen, sind die Wege zum Bundesministerium des Innern und zum Kanzleramt natürlich kurz – ob Pressearbeit, politische Kommunikation oder Social Media. Durch unsere Außenstellen und Ankunftszentren sind wir zudem bundesweit in der Fläche präsent. Die Leiter vor Ort unterstützen wir mit stetig aktualisierten Fragen und Antworten zu aktuellen Themen und eine Vielzahl der regionalen Medientermine findet gemeinsam mit den Partnern des Landes, der Städte und Kommunen statt. Alle unter einem Dach heißt es bei uns vor Ort, wie auch in der Kommunikation.

Krisenmagazin: Gerade zu Beginn der sogenannten "Flüchtlingskrise" hat Ihre Behörde viel Kritik einstecken müssen. Mittlerweile haben Sie Ihre Prozesse erfolgreich stabilisiert. Sehen Sie sich in der medialen Darstellung nun adäquat wahrgenommen?

Andrea Brinkmann: Der Herbst 2015 war sicherlich auch eine Art kommunikative Ausnahmesituation. Aufgabe des Bundesamts war bekanntlich, Ordnung in das Asylverfahren zu bringen. Dieses Ziel haben wir gemeinsam mit unseren Partnern erreicht und sehr intensiv kommunikativ begleitet. Im Ergebnis waren wir 2016 in der Lage, 700.000 Asylverfahren zu entscheiden. Das sind fünf Mal so viele wie noch 2014. Menschen, die jetzt in Deutschland um Schutz ersuchen, erhalten mittlerweile innerhalb von wenigen Wochen bis hin zu drei Monaten Gewissheit über ihre Bleibeperspektive. Die Prozesse sind stabil.

Dennoch, das mediale Interesse bleibt auf einem konstant hohen Niveau. Verstärkt durch den Bereich Integration und auch Rückkehr. Wir sprechen hier alleine von 30 bis 70 Presseanfragen pro Tag, die komplexe Antworten erfordern. Mein Team und ich nehmen diese Aufgabe sehr ernst, beantworten gründlich und schnell. Das schafft Vertrauen. Gleichzeitig öffnen wir unsere Türen, laden ein in die Zentrale, in die bundesweiten Ankunftszentren, in unsere Außenstellen. Mittlerweile sind wir Vorreiter was die Digitalisierung angeht.

Als Pressestelle zeigen wir, wie unsere Mitarbeiter arbeiten und wie das BAMF mit den auch nach wie vor großen Herausforderungen umgeht. Offen und transparent. Wir sehen, dass unsere Fortschritte wahrgenommen werden. Dennoch ist Reputationsmanagement immer langfristig angelegt. Den proaktiven Ansatz werden wir daher konsequent weiterverfolgen.

Krisenmagazin: Die Themen "Asyl", "Migration" und "Flüchtlingspolitik" sind in Deutschland nicht unumstritten. Im Gegenteil: Das Thema ist in hohem Maße politisch und emotional aufgeladen. Mit welchen Maßnahmen streben Sie eine Versachlichung der Debatte an?

Andrea Brinkmann: In einem polarisierenden Diskurs ist es unser Anspruch, als Bundesamt zentrale Informationsquelle zu sein. Wir haben es mit einem gesamtgesellschaftlich relevanten Thema zu tun. Wenn die Menschen verstehen sollen, was das Bundesamt macht, müssen wir uns und die komplexen Zusammenhänge, in denen wir uns bewegen, erklären – und zwar bundesweit wie regional. Das setzt ein großes Maß an Weitblick und Handlungsschnelligkeit voraus. Wir müssen die Informationsbedürfnisse genau kennen, in sehr kurzer Zeit sprachfähig und mit unseren Experten ad hoc medial präsent sein können - und zwar mit O-Tönen, Hintergrundgesprächen, Statements oder Interviews.

Dabei ist die Materie vielschichtig, ein Beispiel: Ein Asylverfahren dauert heute von der Antragstellung bis zum Bescheid im Durchschnitt drei Monate. Dass im vergangenen Jahr die durchschnittliche Bearbeitungsdauer noch mehr als doppelt so lang war, liegt am konsequenten Abbau der komplexen Altfälle. Ein Fall aus dem Jahr 2015, der heute erst bearbeitet wird, schlägt sich also mit 15 bis 18 Monaten Bearbeitungszeit in der Statistik nieder und treibt diese hoch. Hier gilt es, schnell die faktische Grundlage einer differenzierten Wahrnehmung zur Verfügung zu stellen. Flankiert werden die Maßnahmen der Pressearbeit natürlich auch durch unser Social Media-Team, die Kollegen aus der politischen Kommunikation und durch unseren Bürgerservice. Wir sind hier auf einem guten Weg.

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Stand der Informationen: 28. Februar 2017.

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Letzte Aktualisierung: Freitag, 29. März 2024

       

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